gehobene Arm, das schimmernde Haar, -- ich war schon
wieder ganz mit einem malerischen Problem beschäftigt. Da brachte
mir ein Diener Tee. Und kurz darauf trat der Assessor auf mich zu und
verstrickte mich in ein Gespräch.
Der Graf machte, ehe er sich zurückzog, einen Vorschlag, der von allen
freudig begrüßt wurde. Er schlug nämlich vor, daß man am folgenden
Tage in den seidenen Kostümen des achtzehnten Jahrhunderts, deren es
in der Kleiderkammer des Schlosses eine Menge gab, zum Diner
kommen sollte. Auch er und die Gräfin versprachen, sich zu
kostümieren.
Man trennte sich. Der Assessor und ich saßen noch eine Weile in den
alten Lederstühlen der Bibliothek bei Tabak und Bier.
Endlich fingen wir an zu gähnen, erhoben uns und schlenderten zum
Kavalierhaus hinüber. Es war eine laue, windstille Nacht, der Jasmin
duftete betäubend. Unsere Schritte klangen einsam hallend auf dem
hellen Kies, sonst hörte man nichts.
»Übrigens, dies Fräulein Helfinger«, sagte der Assessor, ehe wir in das
Kavalierhaus eintraten, »ein entzückendes Geschöpf. Man möchte sie
immer ansehen, finden Sie nicht?«
»Ein Bild«, entgegnete ich, »ein wirkliches Bild, ich versichere Sie, ich
kann es beurteilen, ich bin ein Maler! Sie kann sich bewegen, wie sie
will, es ist immer ein Bild. Es macht mich rasend, daß ich keine Zeit
habe, sie zu malen. Was ist eine Skizze?«
»Ja, ja, ich glaube Ihnen«, sagte der Assessor.
Pfingstsonntag. Früh hatte ich zu arbeiten, nachher läuteten die
Glocken zum Kirchgang; müde ließ ich meine Hände ruhen. Ich sah,
wie das gräfliche Paar, der Hauslehrer, Charlotte und die Jungen
gemeinsam zur Kirche schritten. Der Assessor streifte durch den Park,
in weißen Beinkleidern und blauer Jacke. Als er mich sah, kam er auf
mich zu und fragte, ob ich mit Tennis spielen wolle; die jungen Damen
warteten schon auf der Terrasse. »Jawohl«, sagte ich, »mit
Vergnügen.« Der Assessor half mir die Malsachen schleppen, dann
spielten wir Tennis.
Die Mädchen hatten dunkelblaue, fußfreie Kleider und weiße Blusen an.
Komteß Anna hatte einen roten Filzhut über das Haar gestülpt, Leonore
trug das Haar frei. Ich spielte mit Komteß Anna, der Assessor mit
Leonore. Ein Diener suchte die Bälle. Ich verwünschte es im stillen,
daß ich an diesem Spiel teilnahm, ich hätte viel lieber daneben gesessen
und Studien nach Leonores Bewegungen gemacht, die so sicher waren,
so ruhig und doch von so starkem Temperament.
»Warum sehen Sie mich immer so an?« fragte sie einmal, nicht
unwillig, sondern mit einem Lächeln.
»Sie wissen ja, Sie interessieren mich malerisch«, entgegnete ich,
»verzeihen Sie, wenn ich Sie so oft ansehe.«
Ich machte eine Verbeugung wie vor einer Dame, wobei ich dachte:
Diese Verbeugung ist unnötig, sie ist ja ein Kind. Ich bemühte mich,
sie in Zukunft weniger anzusehen. Eine Weile gelang es mir. Dann fiel
ich in meinen alten Fehler zurück.
Ich nahm mir vor, nachher neue Skizzen nach ihr zu machen. Sie hatte
Bewegungen beim Spiel, die sie wie eine Blüte erscheinen ließen; das
war, wenn sie den Hals streckte und den Kopf etwas zurückwarf.
Einmal gab sie mir einen Ball in die Hand. Wie seltsam funkelnd waren
ihre Augen, als sie mir den Ball gab. Das sind süße, leidenschaftliche
Augen, dachte ich, und dieses sonderbare Blau. Ich dachte wieder daran,
wie ich das malen könnte. Ich dachte immer nur ans Malen, ich Trottel,
ich kindischer Geselle!
Nachmittags probte alles alte Kostüme. Ich hatte mir einen Rock aus
hellgrauer Seide hervorgesucht, der mit Rosengirlanden bestickt war;
dazu einen Kavalierdegen und Eskarpins. In diesem Kostüm saß ich
noch eine Weile am Tisch meines Zimmers und machte aus der
Erinnerung Bewegungsskizzen nach der tennisspielenden Leonore.
Dann tönte das Gong, ich ging zum Diner hinüber ins Schloß.
In dem blauen Salon traf ich die beiden Freundinnen. Ich blieb wie
angewurzelt stehen. Die Mädchen sahen so überraschend echt in ihren
Kostümen aus, daß ich meinte, ich sähe eine Vision aus der Zeit des
=ancien régime=. Leonore trug ein langes, silberbesticktes Gewand aus
blaugrauem Brokat, das hinten schleppte. Hals und Schultern waren frei.
Sie trug eine hohe bepuderte Coiffüre, in der eine mattrote Rose steckte.
Auf der einen Wange, nahe der Schläfe, lag ein schwarzes Pflästerchen.
Ich sah sie zuerst im Profil, sie blickte gegen das Licht zum Fenster hin
und hielt spielend einen alten Fächer in der Hand.
Komteß Anna war in Grünblau. Auch sie hatte bepudertes Haar, ihr
Gewand war glockenförmig. Sie trat mir lachend entgegen und fragte:
»Wie gefallen wir Ihnen, Marquis?«
»Ich bin hingerissen«, sagte ich, »Sie sollten immer solche Kleider
tragen. Auch Sie, Fräulein Helfinger.«
Leonore sah mich an, mit einem Lächeln. Wie wundervoll war die
blaßrote Rose in ihrem bepuderten Haar! Wie mädchenhaft hold die
Linie von dem feinen Hals zu den Schultern.
»Wahrhaftig, man sollte das malen«, sagte ich, »ganz in Silber und
Grau.« Ich kniff die Augen ein wenig zu und betrachtete sie.
Da verschwand das Lächeln von ihrem
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.