Die Hochzeit des Moenchs | Page 5

Conrad Ferdinand Meyer
sich ziehend.
Endlich verlobte sich mit ihr, ohne Liebe, wie es stadtkundig war, Umberto Vicedomini, der jetzt in der Brenta lag.
übrigens waren die beiden so versunken in ihren gerechten Schmerz, da? sie das eifrige Geschw?tz, welches sich an ihre Fersen heftete, entweder nicht vernahmen oder sich wenig um dasselbe bekümmerten. Nicht das gab Ansto?, da? der M?nch und das Weib nebeneinander schritten. Es erschien in der Ordnung, da der M?nch an ihr zu tr?sten hatte und sie wohl beide denselben Weg gingen: zu dem alten Vicedomini, als die n?chsten und natürlichen Boten des Geschehenen.
Die Weiber bejammerten Diana, da? sie einen Mann habe heiraten müssen, der sie nur als Ersatz für eine teure Gestorbene genommen, und beklagten sie in demselben Atemzug, da? sie diesen Mann vor der Ehe eingebü?t habe.
Die M?nner dagegen er?rterten mit wichtigen Geb?rden und den schlausten Mienen eine brennende Frage, welche sich über den in der Brenta versunkenen vier Stammhaltern des ersten paduanischen Geschlechts er?ffnet hatte. Die Glücksgüter der Vicedomini waren sprichw?rtlich. Das Familienhaupt, ein ebenso energischer wie listiger Mensch, der es fertiggebracht hatte, mit beiden, dem fünffach gebannten Tyrannen von Padua und der diesen verdammenden Kirche auf gutem Fu? zu bleiben, hatte sich lebelang nicht im geringsten mit etwas ?ffentlichem besch?ftigt, sondern ein z?hes Dasein und pr?chtige Willenskr?fte auf ein einziges Ziel gewendet: den Reichtum und das Gedeihen seines Stammes. Jetzt war dieser vernichtet. Sein ?ltester und die Enkel lagen in der Brenta. Sein Zweiter und Dritter waren in eben diesem Unglücksjahr, der eine vor zwei, der andere vor drei Monden von der Erde verschwunden. Den ?ltern hatte der Tyrann verbraucht und auf einem seiner wilden Schlachtfelder zurückgelassen. Der andere, aus welchem der vorurteilslose Vater einen gro?artigen Kaufmann in venezianischem Stil gemacht, hatte sich an einer morgenl?ndischen Küste auf dem Kreuz verblutet, an welches ihn Seer?uber geschlagen, versp?teten L?segeldes halber. Als Vierter blieb Astorre, der M?nch. Da? er diesen mit dem Aufwand seines letzten Pulses den Klostergelübden zu entrei?en versuchen werde, daran zweifelten die schnellrechnenden Paduaner keinen Augenblick. Ob es ihm gelinge und der M?nch sich dazu hergebe, darüber stritt jetzt die aufgeregte Gasse.
Und sie stritt sich am Ende so laut und heftig, da? selbst der trauernde M?nch nicht mehr im Zweifel darüberbleiben konnte, wer mit dem 'egli' und der 'ella' gemeint sei, welche aus den versammelten Gruppen ert?nten. Dergestalt schlug er, mehr noch seiner Gef?hrtin als seinethalben, eine mit Gras bewachsene Gasse ein, die seinen Sandalen wohlbekannt war, denn sie führte l?ngs der verwitterten Ringmauer seines Klosters hin. Hier war es bis zum Schauder kühl, aber die ganz Padua erfüllende Schreckenskunde hatte selbst diese Schatten erreicht. Aus den offenen Fenstern des Refektoriums, das in die dicke Mauer gebaut war, scholl an der versp?teten Mittagstafel--die Katastrophe auf der Brenta hatte in der Stadt alle Zeiten und Stunden gest?rt--das Tischgespr?ch der Brüder so z?nkisch und schreiend, so voller '-inibus' und '-atibus'--es wurde lateinisch geführt--, oder dann stritt man sich mit Zitaten aus den Dekretalen, da? der M?nch unschwer erriet, auch hier werde dasselbe oder ein ?hnliches Dilemma wie auf der Stra?e verhandelt. Und wenn er sich vielleicht nicht Rechenschaft gab, wovon, so wu?te er doch, von wem die Rede ging. Aber was er nicht entdeckte, waren--"
Mitten im Sprechen suchte Dante unter den Zuh?rern den vornehmen Kleriker, der sich hinter seinem Nachbarn verbarg.
"--waren zwei brennende, hohle Augen, welche durch eine Luke in der Mauer auf ihn und das Weib an seiner Seite starrten. Diese Augen geh?rten einer unseligen Kreatur, einem verlorenen M?nch, namens Serapion, welcher sich, Seele und Leib, im Kloster verzehrte. Mit seiner voreiligen Einbildungskraft hatte dieser auf der Stelle begriffen, da? sein Mitbruder Astorre zum l?ngsten nach der Regel des heiligen Franziskus gedarbt und gefastet habe und beneidete ihn rasend um den ihm von der Laune des Todes zugeworfenen Besitz weltlicher Güter und Freuden. Er lauerte auf den Heimkehrenden, um die Mienen desselben zu erforschen und darin zu lesen, was Astorre über sich beschlossen h?tte. Seine Blicke verschlangen das Weib und hafteten an ihren Stapfen."
Astorre lenkte die Schritte und die seiner Schw?gerin auf einen kleinen, von vier Stadtburgen gebildeten Platz und trat mit ihr in das tiefe Tor der vornehmsten. Auf einer Steinbank im Hof erblickte er zwei Ruhende, einen vom Wirbel zur Zehe gepanzerten, blutjungen Germanen und einen greisen Sarazenen. Der hingestreckte Deutsche hatte seinen schlummernden rotblonden Krauskopf in den Scho? des sitzenden Ungl?ubigen gelegt, der, ebenfalls schlummernd, mit seinem schneewei?en Barte v?terlich auf ihn niedernickte. Die zwei geh?rten zur Leibwache Ezzelins, welche sich in Nachahmung derjenigen seines Schwiegers, des Kaisers Friedrich, aus Deutschen und Sarazenen zu gleichen Teilen zusammensetzte. Der Tyrann war im Palaste. Er mochte es für seine Pflicht gehalten haben, den alten Vicedomini zu besuchen. In der Tat vernahmen Astorre und Diana schon auf der Wendeltreppe das Gespr?ch, welches Ezzelin in kurzen, ruhigen Worten, der Alte dagegen, der g?nzlich au?er sich zu sein schien,
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