das ihr geneigte Volk in seinen Schenken und
Plauderstuben Diana monatlich mit irgendeinem vornehmen Paduaner,
doch die Wirklichkeit trug diesen frommen Wünschen keine Rechnung.
Drei Hindernisse erschwerten eine Brautschaft: die hohen und oft
finsteren Brauen Dianas, die geschlossene Hand ihres Vaters und die
blinde Anhänglichkeit ihres Bruders Germano an den Tyrannen, bei
dessen möglichem Falle der treue Diener mit zugrunde gehen mußte,
seine Sippe nach sich ziehend.
Endlich verlobte sich mit ihr, ohne Liebe, wie es stadtkundig war,
Umberto Vicedomini, der jetzt in der Brenta lag.
Übrigens waren die beiden so versunken in ihren gerechten Schmerz,
daß sie das eifrige Geschwätz, welches sich an ihre Fersen heftete,
entweder nicht vernahmen oder sich wenig um dasselbe bekümmerten.
Nicht das gab Anstoß, daß der Mönch und das Weib nebeneinander
schritten. Es erschien in der Ordnung, da der Mönch an ihr zu trösten
hatte und sie wohl beide denselben Weg gingen: zu dem alten
Vicedomini, als die nächsten und natürlichen Boten des Geschehenen.
Die Weiber bejammerten Diana, daß sie einen Mann habe heiraten
müssen, der sie nur als Ersatz für eine teure Gestorbene genommen,
und beklagten sie in demselben Atemzug, daß sie diesen Mann vor der
Ehe eingebüßt habe.
Die Männer dagegen erörterten mit wichtigen Gebärden und den
schlausten Mienen eine brennende Frage, welche sich über den in der
Brenta versunkenen vier Stammhaltern des ersten paduanischen
Geschlechts eröffnet hatte. Die Glücksgüter der Vicedomini waren
sprichwörtlich. Das Familienhaupt, ein ebenso energischer wie listiger
Mensch, der es fertiggebracht hatte, mit beiden, dem fünffach
gebannten Tyrannen von Padua und der diesen verdammenden Kirche
auf gutem Fuß zu bleiben, hatte sich lebelang nicht im geringsten mit
etwas Öffentlichem beschäftigt, sondern ein zähes Dasein und
prächtige Willenskräfte auf ein einziges Ziel gewendet: den Reichtum
und das Gedeihen seines Stammes. Jetzt war dieser vernichtet. Sein
Ältester und die Enkel lagen in der Brenta. Sein Zweiter und Dritter
waren in eben diesem Unglücksjahr, der eine vor zwei, der andere vor
drei Monden von der Erde verschwunden. Den ältern hatte der Tyrann
verbraucht und auf einem seiner wilden Schlachtfelder zurückgelassen.
Der andere, aus welchem der vorurteilslose Vater einen großartigen
Kaufmann in venezianischem Stil gemacht, hatte sich an einer
morgenländischen Küste auf dem Kreuz verblutet, an welches ihn
Seeräuber geschlagen, verspäteten Lösegeldes halber. Als Vierter blieb
Astorre, der Mönch. Daß er diesen mit dem Aufwand seines letzten
Pulses den Klostergelübden zu entreißen versuchen werde, daran
zweifelten die schnellrechnenden Paduaner keinen Augenblick. Ob es
ihm gelinge und der Mönch sich dazu hergebe, darüber stritt jetzt die
aufgeregte Gasse.
Und sie stritt sich am Ende so laut und heftig, daß selbst der trauernde
Mönch nicht mehr im Zweifel darüberbleiben konnte, wer mit dem
'egli' und der 'ella' gemeint sei, welche aus den versammelten Gruppen
ertönten. Dergestalt schlug er, mehr noch seiner Gefährtin als
seinethalben, eine mit Gras bewachsene Gasse ein, die seinen Sandalen
wohlbekannt war, denn sie führte längs der verwitterten Ringmauer
seines Klosters hin. Hier war es bis zum Schauder kühl, aber die ganz
Padua erfüllende Schreckenskunde hatte selbst diese Schatten erreicht.
Aus den offenen Fenstern des Refektoriums, das in die dicke Mauer
gebaut war, scholl an der verspäteten Mittagstafel--die Katastrophe auf
der Brenta hatte in der Stadt alle Zeiten und Stunden gestört--das
Tischgespräch der Brüder so zänkisch und schreiend, so voller '-inibus'
und '-atibus'--es wurde lateinisch geführt--, oder dann stritt man sich
mit Zitaten aus den Dekretalen, daß der Mönch unschwer erriet, auch
hier werde dasselbe oder ein ähnliches Dilemma wie auf der Straße
verhandelt. Und wenn er sich vielleicht nicht Rechenschaft gab, wovon,
so wußte er doch, von wem die Rede ging. Aber was er nicht entdeckte,
waren--"
Mitten im Sprechen suchte Dante unter den Zuhörern den vornehmen
Kleriker, der sich hinter seinem Nachbarn verbarg.
"--waren zwei brennende, hohle Augen, welche durch eine Luke in der
Mauer auf ihn und das Weib an seiner Seite starrten. Diese Augen
gehörten einer unseligen Kreatur, einem verlorenen Mönch, namens
Serapion, welcher sich, Seele und Leib, im Kloster verzehrte. Mit
seiner voreiligen Einbildungskraft hatte dieser auf der Stelle begriffen,
daß sein Mitbruder Astorre zum längsten nach der Regel des heiligen
Franziskus gedarbt und gefastet habe und beneidete ihn rasend um den
ihm von der Laune des Todes zugeworfenen Besitz weltlicher Güter
und Freuden. Er lauerte auf den Heimkehrenden, um die Mienen
desselben zu erforschen und darin zu lesen, was Astorre über sich
beschlossen hätte. Seine Blicke verschlangen das Weib und hafteten an
ihren Stapfen."
Astorre lenkte die Schritte und die seiner Schwägerin auf einen kleinen,
von vier Stadtburgen gebildeten Platz und trat mit ihr in das tiefe Tor
der vornehmsten. Auf einer Steinbank im Hof erblickte er zwei
Ruhende, einen vom Wirbel zur Zehe gepanzerten, blutjungen
Germanen und einen greisen Sarazenen. Der hingestreckte Deutsche
hatte seinen schlummernden rotblonden Krauskopf in den Schoß des
sitzenden Ungläubigen gelegt, der, ebenfalls schlummernd, mit seinem
schneeweißen Barte väterlich auf ihn niedernickte. Die
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