Die Hochzeit des Moenchs | Page 3

Conrad Ferdinand Meyer
Bibliothek zu versetzen und unter die Hut eines Greises zu stellen."
"Was sagte denn der Stein?" ließ sich jetzt die Gemahlin des Fürsten
nachlässig vernehmen.
"Die Inschrift", erwiderte Dante, "war lateinisch und lautete: Hic jacet
monachus Astorre cum uxore Antiope. Sepeliebat Azzolinus."
"Was heißt denn das?" fragte die andere neugierig.
Cangrande übersetzte fließend: "Hier schlummert der Mönch Astorre
neben seiner Gattin Antiope. Beide begrub Ezzelin."
"Der abscheuliche Tyrann!" rief die Empfindsame. "Gewiß hat er die
beiden lebendig begraben lassen, weil sie sich liebten, und das Opfer
noch in der Gruft gehöhnt, indem er es die Gattin des Mönches nannte.
Der Grausame!"
"Kaum", meinte Dante. "Das hat sich in meinem Geiste anders gestaltet
und ist auch nach der Geschichte unwahrscheinlich. Denn Ezzelin
bedrohte wohl eher den kirchlichen Gehorsam als den Bruch geistlicher
Gelübde. Ich nehme das 'sepeliebat' in freundlicherem Sinne: er gab
den beiden ein Begräbnis."

"Recht", rief Cangrande freudig, "du denkst wie ich, Florentiner!
Ezzelino war eine Herrschernatur und, wie sie einmal sind, etwas rauh
und gewaltsam. Neun Zehntel seiner Frevel haben ihm die Pfaffen und
das fabelsüchtige Volk angedichtet." "Möchte dem so sein!" seufzte
Dante. "Wo er übrigens in meiner Fabel auftritt, ist er noch nicht das
Ungeheuer, welches uns, wahr oder falsch, die Chronik schildert,
sondern seine Grausamkeit beginnt sich nur erst zu zeichnen, mit einem
Zug um den Mund sozusagen--"
"Eine gebietende Gestalt", vollendete Cangrande feurig das Bildnis,
"mit gesträubtem, schwarzem Stirnhaar, wie du ihn in deinem zwölften
Gesang als einen Bewohner der Hölle malst. Woher hast du dieses
schwarzhaarige Haupt?"
"Es ist das deinige", versetzte Dante kühn, und Cangrande fühlte sich
geschmeichelt.
"Auch die übrigen Gestalten der Erzählung", fuhr er mit lächelnder
Drohung fort, "werde ich, ihr gestattet es?"--und er wendete sich gegen
die Umsitzenden--"aus eurer Mitte nehmen und ihnen eure Namen
geben: euer Inneres lasse ich unangetastet, denn ich kann nicht darin
lesen."
"Meine Miene gebe ich dir preis", sagte großartig die Fürstin, deren
Gleichgültigkeit zu weichen begann.
Ein Gemurmel der höchsten Aufregung lief durch die Zuhörer, und:
"Deine Geschichte, Dante!" raunte es von allen Seiten, "deine
Geschichte!"
"Hier ist sie", sagte dieser und erzählte.
"Wo sich der Gang der Brenta in einem schlanken Bogen der Stadt
Padua nähert, ohne diese jedoch zu berühren, glitt an einem
himmlischen Sommertag unter gedämpftem Flötenschall eine bekränzte,
von festlich Gekleideten überfüllte Barke auf dem schnellen, aber
ruhigen Wasser. Es war die Brautfahrt des Umberto Vicedomini und
der Diana Pizzaguerra. Der Paduaner hatte sich seine Verlobte aus

einem am obern Lauf des Flusses gelegenen Kloster geholt, wohin,
kraft einer alten städtischen Sitte, Mädchen von Stand vor ihrer
Hochzeit zum Behufe frommer Übungen sich zurückzuziehen pflegen.
Sie saß in der Mitte der Barke auf einem purpurnen Polster zwischen
ihrem Bräutigam und den drei blühenden Knaben seines ersten Bettes.
Umberto Vicedomini hatte vor fünf Jahren, da die Pest in Padua wütete,
das Weib seiner Jugend begraben und, obwohl in der Kraft der
Männlichkeit stehend, nur schwer und widerwillig, auf das tägliche
Drängen eines alten und siechen Vaters, zu diesem zweiten Ehebund
sich entschlossen.
Mit eingezogenen Rudern fuhr die Barke, dem Willen des Stromes sich
überlassend. Die Bootsknechte begleiteten die sanfte Musik mit einem
halblauten Gesang. Da verstummten beide. Aller Augen hatten sich
nach dem rechten Ufer gerichtet, an welchem ein großer Reiter seinen
Hengst bändigte und mit einer weiten Gebärde nach der Barke herüber
grüßte. Scheues Gemurmel durchlief die Reihen der Sitzenden. Die
Ruderer rissen sich die roten Mützen vom Kopf, und das ganze Fest
erhob sich in Furcht und Ehrerbietung, auch der Bräutigam, Diana und
die Knaben. Untertänige Gebärden, grüßende Arme, halbgebogene
Knie wendeten sich gegen den Strand mit einem solchen Ungestüm und
Übermaß der Bewegung, daß die Barke aus dem Gleichgewicht kam,
sich nach rechts neigte und plötzlich überwog. Ein Schrei des
Entsetzens, ein drehender Wirbel, eine leere Strommitte, die sich mit
Auftauchenden, wieder Versinkenden und den schwimmenden Kränzen
der verunglückten Barke bevölkerte. Hilfe war nicht ferne, denn wenig
weiter unten lag ein kleiner Port, wo Fischer und Fährleute hausten und
heute auch die Rosse und Sänften warteten, welche die Gesellschaft,
die jetzt im Strom unterging, vollends nach Padua hätten bringen
sollen.
Die zwei ersten der rettenden Kähne strebten sich von den
entgegengesetzten Ufern zu. In dem einen stand neben einem alten
Fergen mit struppigem Bart Ezzelin, der Tyrann von Padua, der
unschuldige Urheber des Verderbens, in dem andern, vom linken Ufer
kommenden ein junger Mönch und sein Fährmann, welcher den
staubigen Waller über den Strom stieß gerade in dem Augenblick, da

sich darauf das Unheil zutrug. Die beiden Boote erreichten sich.
Zwischen ihnen schwamm im Flusse etwas wie eine Fülle blonden
Haares, in das der Mönch entschlossen hineingriff, knielings, mit weit
ausgestrecktem Arme, während sein Schiffer aus allen Kräften sich auf
die andere Seite des Nachens zurückstemmte. An einer dicken Strähne
hob der Mönch ein Haupt, das die Augen geschlossen hielt,
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