Die Gründung des Deutschen Zollvereins | Page 6

Heinrich von Treitschke
mit überlegener Sachkenntnis das fast durchweg wertlose national?konomische Gerede der Presse. Dieselben Schutzz?llner, die um Hilfe riefen für die deutsche Industrie, schalten zugleich über die unerschwinglichen S?tze des preu?ischen Tarifs, der doch jenen Schutz gew?hrte. Dieselben Liberalen, die den Bundestag als einen v?llig unbrauchbaren K?rper verspotteten, forderten von dieser Beh?rde eine sch?pferische handelspolitische Tat. Wenn Hoffmann nachwies, da? das neue Gesetz eine Wohltat für Deutschland sei, so erwiderten P?litz, Krug und andere s?chsische Publizisten, kein Staat habe das Recht, seinen Nachbarn Wohltaten aufzudr?ngen. Alberne Jagdgeschichten wurden mit der h?chsten Bestimmtheit wiederholt und von der Unwissenheit der Leser begierig geglaubt. Da hatte ein armer H?ker aus dem Reu?ischen, als er seinen Schubkarren voll Gemüse zum Leipziger Wochenmarkt fuhr, einen Taler Durchfuhrzoll an die preu?ische Maut zahlen müssen -- nur schade, da? Preu?en von solchen Waren gar keinen Zoll erhob. Auch die Sentimentalit?t ward gegen Preu?en ins Feld geführt; sie findet sich ja bei den Deutschen immer ein, wenn ihnen die Gedanken ausgehen. Da war gleich am ersten Tage, als das unselige Gesetz in Kraft trat, ein Zollbeamter zu Langensalza von einem gothaischen Patrioten im Rausche heiligen Zornes erstochen worden; der Mann hatte sich aber selbst entleibt. Da hie? es wehmütig, K?nig Friedrich Wilhelm hege wohl menschenfreundliche Absichten, aber ?finanzielle Rücksichten vergiften die besten Ma?regeln?; für die harte Notwendigkeit dieser finanziellen Rücksichten hatte man kein Auge. Die ersehnte Einheit des deutschen Marktes -- darüber bestand unter den liberalen Patrioten kein Streit -- konnte nur gelingen, wenn die bereits vollzogene Einigung der H?lfte Deutschlands wieder zerst?rt wurde.
Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. *II*, 211 ff. -- Die Anmerkungen sind vom Herausgeber beigefügt.
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1 Geb. 23. August 1769, gest. 2. November 1834.
2 Adam Smith, geb. 1723, gest. 1790, ist als der Begründer der neueren National?konomie zu betrachten; er vertrat die Lehre, da? es in wirtschaftlichen Dingen Aufgabe des Staates sei, das freie Spiel der wirtschaftlichen Kr?fte durch Beseitigung entgegenstehender Hemmnisse zu f?rdern.
3 Geb. 11. M?rz 1770, gest. am 15. September 1830 an den schweren Verletzungen, die er sich bei Er?ffnung der zwischen Liverpool und Manchester erbauten Eisenbahn dadurch zuzog, da? er beim Einsteigen unter die R?der fiel. Im Ministerium Canning war er Staatssekret?r für die Kolonien.
4 Die Navigationsakte vom 9. Oktober 1651 gestattete die Einfuhr von Waren aus Afrika, Asien und Amerika nur unter englischer Flagge, die Einfuhr von europ?ischen Waren nur durch englische Schiffe oder Schiffe des erzeugenden Landes. Damit wurde der holl?ndische Zwischenhandel ausgeschaltet. Erst 1849 wurde die Akte aufgehoben.
5 Edmund Burke, geb. 1729, gest. 9. Juli 1797, hervorragender englischer Politiker und Staatsmann.
6 Adam Smith war von 1751 ab eine Reihe von Jahren als Professor der Logik und der Moral an der Universit?t zu Glasgow t?tig.
7 Karl August, Fürst von Hardenberg, geb. 31. Mai 1750, gest. 26. Nov. 1822, seit Juni 1810 bis an seinen Tod preu?ischer Staatskanzler.
8 Joh. Albrecht Friedrich Eichhorn, geb. 2. M?rz 1779, gest. 16. Januar 1856, war als Direktor der zweiten Abteilung des Ministeriums des ?u?eren besonders für die Entwicklung des Zollvereins t?tig. Von 1840-48 k?mpfte er als Kultusminister für die Erhaltung der kirchlichen Rechtgl?ubigkeit gegen die freiheitlichen Bestrebungen der Lichtfreunde.
9 Zwangsma?regeln.
10 Joh. Gottfr. Hoffmann, geb. 19. Juli 1765, gest. 12. November 1847, hervorragender National?konom und Begründer der wissenschaftlichen Statistik.

2. Der Kampf gegen das preu?ische Zollgesetz und der erste preu?ische Zollvertrag.
Alles historische Werden entspringt der best?ndigen Wechselwirkung zwischen dem bewu?ten Menschenwillen und den gegebenen Zust?nden. Wie die Vernunft, die in den Dingen liegt, nur durch die Willenskraft eines gro?en, die Zeichen der Zeit verstehenden Mannes verwirklicht werden kann, so finden auch die Sünden und Irrtümer der Politiker ihre Schranke an dem Charakter der Staaten, an der Macht der Ideen, die sich im Verlauf der Geschichte angesammelt haben. Schwer hatte die Krone Preu?en gefehlt, als sie in Karlsbad(11) sich den lebendigen Kr?ften des jungen Jahrhunderts entgegenstemmte; und doch war dieser Staat modern von Grund aus, er konnte sich der neuen Zeit nicht g?nzlich entfremden und begann eben jetzt eine Reform seines Haushalts, welche ihn bef?higte, in seiner wirtschaftlichen Entwicklung alle anderen deutschen Staaten zu überflügeln. Nachgiebig bis zur Selbstvergessenheit war Hardenberg in Teplitz(12) allen Wünschen ?sterreichs entgegengekommen, der Glaube an die unbedingte Interessengemeinschaft der beiden Gro?m?chte beherrschte ihn ganz und gar; und doch war der Gegensatz der beiden M?chte in einer alten Geschichte begründet und, so lange die Machtfrage der deutschen Zukunft ungel?st blieb, durch menschlichen Willen nicht mehr beizulegen. Fast in dem n?mlichen Augenblicke, da der Berliner Hof sich g?nzlich der Führung ?sterreichs zu überlassen schien, tat er wieder einen Schritt vorw?rts auf den Bahnen der friderizianischen Politik und begann die deutschen Nachbarlande in seine Zollgemeinschaft aufzunehmen. Es war ein winziger, nach dem Ma?e der Gegenwart fast l?cherlicher Erfolg, aber der unscheinbare Beginn einer Staatskunst, welche die deutschen Staaten durch das Band wirtschaftlicher Interessen unl?sbar an Preu?en ketten und die Befreiung von ?sterreich vorbereiten sollte.
Seit das
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