Die Gründung des Deutschen Zollvereins | Page 4

Heinrich von Treitschke
Kr?ften kommen zu lassen. Schon bei der ersten Revision des Tarifs im Jahre 1821 tat man einen Schritt weiter im Sinne des Freihandels, vereinfachte den Tarif und setzte mehrere Z?lle herab. W?hrend das Gesetz von 1818 für die westlichen Provinzen einen eigenen Tarif mit etwas niedrigeren S?tzen aufgestellt hatte, fiel jetzt der Unterschied zwischen den Provinzen hinweg; die Zollrolle von 1812 bildete in Form und Einrichtung die Grundlage für alle sp?teren Tarife des Zollvereins.
Derweil der Staatsrat diese Reform zum Abschlu? brachte, erging sich die unreife national?konomische Bildung der Zeit in widersprechenden Klagen. Die Massen meinten die Verteuerung des Lebensunterhalts nicht ertragen zu k?nnen, die Fabrikanten sahen ?dem englischen Handelsdespotismus? Tür und Tor ge?ffnet und bestürmten den Thron abermals mit so verzweifelten Bittschriften, da? der K?nig, obwohl selbst mit Maa?ens Pl?nen ganz einverstanden, doch eine nochmalige Prüfung des schon unterschriebenen Gesetzes befahl. Erst am 1. September 1818 wurde das Zollgesetz ver?ffentlicht, erst zu Neujahr 1819 traten die neuen Grenzzoll?mter in T?tigkeit. Am 8. Februar 1819 erschien das erg?nzende Gesetz über die Besteuerung des Konsums inl?ndischer Erzeugnisse, wonach nur Wein, Bier, Branntwein und Tabaksbl?tter einer Steuer unterlagen, die ohne unmittelbare Bel?stigung der Verzehrer von den Produzenten zu erheben war.
Die neue Gesetzgebung hielt im ganzen sehr glücklich die Mitte zwischen Handelsfreiheit und Zollschutz. Nur nach einer Richtung hin wich sie auff?llig ab von den Grunds?tzen des gem??igten Freihandels: sie belastete den Durchfuhrhandel unverh?ltnism??ig schwer. Der Zentner Transitgut zahlte im Durchschnitt einen halben Taler Zoll, auf einzelnen wichtigen Handelsstra?en noch weit mehr -- sicherlich eine sehr drückende Last für ordin?re Güter, zumal wenn sie das preu?ische Gebiet mehrmals berührten. Die n?chste Veranlassung zu dieser H?rte lag in dem Bedürfnis der Finanzen. Preu?en beherrschte einige der wichtigsten Handelsstra?en Mitteleuropas: die Verbindung Hollands mit dem Oberlande, die alten Absatzwege des polnischen Getreides, den Verkehr Leipzigs mit der See, mit Polen, mit Frankfurt. Man berechnete, da? die volle H?lfte der in Preu?en eingehenden Waren dem Durchfuhrhandel angeh?rte. Die ersch?pfte Staatskasse war nicht in der Lage, diesen einzigen Vorteil, den ihr die unglückliche langgestreckte Gestalt des Gebiets gew?hrte, aus der Hand zu geben. überdies stimmten alle Kenner des Mautwesens überein in der für jene Zeit wohlbegründeten Meinung, da? nur durch Besteuerung der Durchfuhr der finanzielle Ertrag des Grenzzollsystems gesichert werden k?nne. Gab man den Transit v?llig frei, so wurde dem Unterschleif Tür und Tor ge?ffnet, ein ungeheurer Schmuggelhandel von Hamburg, Frankfurt, Leipzig her geradezu herausgefordert, das ganze Gelingen der Reform in Frage gestellt. Die unbillige H?he der Durchfuhrz?lle aber und das z?he Festhalten der Regierung an diesen für die deutschen Nachbarlande unleidlichen S?tzen erkl?rt sich nur aus politischen Gründen. Der Transitzoll diente dem Berliner Kabinett als ein wirksames Unterhandlungsmittel, um die deutschen Kleinstaaten zum Anschlu? an die preu?ische Handelspolitik zu bewegen.
Von jenem Traumbilde einer gesamtdeutschen Handelspolitik, das w?hrend des Wiener Kongresses den preu?ischen Bevollm?chtigten vorgeschwebt hatte, war man in Berlin l?ngst zurückgekommen. Die Unm?glichkeit solcher Pl?ne ergab sich nicht blo? aus der Nichtigkeit der Bundesverfassung, sondern auch aus den inneren Verh?ltnissen der Bundesstaaten. Hardenberg(7) wu?te, da? der Wiener Hof an seinem altv?terlichen Provinzialzollsystem nichts ?ndern wollte und seine nichtdeutschen Kronl?nder einem Bundeszollwesen schlechterdings nicht unterordnen konnte. Aber auch das übrige Deutschland bewahrte noch viele Trümmer aus der schm?hlichen kosmopolitischen Epoche unserer Vergangenheit. Noch war Hannover von England, Schleswig-Holstein von D?nemark abh?ngig, noch stand Luxemburg in unmittelbarer geographischer Verbindung mit dem niederl?ndischen Gesamtstaate. Wie war ein gesamtdeutsches Zollwesen denkbar, so lange diese Fremdherrschaft w?hrte? Auch die Verfassung mehrerer Bundesstaaten bot unübersteigliche Hindernisse. Die preu?ische Zollreform ruhte auf dem Gedanken des gemeinen Rechts. Wer durfte erwarten, da? der mecklenburgische Adel auf seine Zollfreiheit, der s?chsische auf die mit den st?ndischen Privilegien fest verkettete Generalakzise verzichten würde, so lange die st?ndische Oligarchie in diesen Landen ungest?rt herrschte? Wie war es m?glich, die preu?ischen Z?lle, welche die Einheit des Staatshaushalts voraussetzten, in Hannover einzuführen, wo noch die K?nigliche Dom?nenkasse und die st?ndische Steuerkasse selbst?ndig nebeneinander standen? Das Zollwesen hing überdies eng zusammen mit der Besteuerung des inl?ndischen Konsums; nur wenn die Kleinstaaten sich entschlossen, das System ihrer indirekten Steuern auf preu?ischen Fu? zu setzen oder doch dem preu?ischen Muster anzun?hern, war eine ehrliche Gegenseitigkeit, eine dauernde Zollgemeinschaft zwischen ihnen m?glich. Und lie? sich solche Opferwilligkeit erwarten in jenem Augenblick, da der Rheinbund und das R?nkespiel des Wiener Kongresses den selbstsüchtigen Dünkel der Dynastien krankhaft aufgeregt und jeder Scham entw?hnt hatten? Selbst jene Staaten, denen redlicher Wille nicht fehlte, konnten gar nicht sofort auf die harten Zumutungen eingehen, welche Preu?en ihnen stellen mu?te, um sich den Ertrag seiner Z?lle zu sichern. Man mu?te, so gestand Eichhorn(8) sp?terhin, sich erst orientieren in der ver?nderten Lage, die national?konomischen Bedürfnisse des eigenen Landes und die zur Deckung der Staatsausgaben notwendigen Opfer überschlagen; bevor man hierüber ins Klare gekommen, konnte man sich von einer gemeinsamen Beratung keinen Erfolg versprechen, am wenigsten von einer Beratung für ganz Deutschland
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