erhob Anspruch auf das Recht, bei der Bestimmung über sein Wohl und Wehe mitzusprechen, und gedieh zu einem Machtfaktor, mit dem gerechnet werden mu?. Als es anfing, sich bemerkbar zu machen, wurde es von der Wissenschaft gleichsam erst entdeckt, man begann, sein Leben, Fühlen und Denken in Vergangenheit und Gegenwart zu erforschen, und er?ffnete damit ein Gebiet, das einen fast unersch?pflichen Reichtum neuer Erkenntnis in sich birgt.
Einen ?hnlichen Werdegang wie das Volk hat auch die Frau durchmessen. Sie steht jetzt in allen Kulturl?ndern auf dem Punkt, sich ihre wirtschaftliche, rechtliche und sittliche Gleichberechtigung zu erk?mpfen. Nur für denjenigen, der die Entwicklungsgeschichte kennt, der wei?, welch langen, mühevollen Weg sie bis zu diesem Punkt zurücklegen mu?te, wird die gro?e, weit über ihr Geschlecht hinausreichende Bedeutung dieses Emanzipationskampfes klar. Aus der Tiefe des weiblichen Wesens und seiner Geschichte ist die Frauenfrage herausgewachsen, und sie mu? bis in ihre Wurzeln hinein verfolgt werden, um die ganze Schwierigkeit der in ihr enthaltenen Probleme zu erkennen und die richtigen Mittel zu ihrer L?sung zu finden.
Die Entwicklungsgeschichte des weiblichen Geschlechts stellt sich, soweit wir auf historischem Boden stehen, als eine lange, im Dunkeln sich abspielende Leidensgeschichte dar. Aber auch wenn wir diesen Boden verlassen und uns auf Grund gelehrter Forschungen ein Bild des Lebens der Frau in grauer Vorzeit zu machen versuchen, finden wir sie immer in einem Zustand der Enge und Begrenztheit des pers?nlichen Daseins. Er war zun?chst durch die Natur ihres Geschlechts selbst begründet. Die Mutterschaft beschr?nkte ihre Bewegungsfreiheit und machte sie schutzbedürftig, obgleich--was wir berechtigt sind anzunehmen--die Geschlechtsfunktionen weit weniger als heute mit pathologischen Erscheinungen sich verbanden. Das kleine Kind jedoch bedurfte infolge seiner v?lligen Unselbst?ndigkeit der mütterlichen Fürsorge und w?hrend der Mann--in welcher Periode der Menschheitsentwicklung immer--ungehindert durch Geschlechtsbeschr?nkungen seinen Trieben folgen konnte, erschien es als das erste, dem Menschen zum Bewu?tsein kommende Naturgesetz, da? die Mutter an das Kind gefesselt war. Es machte die Frau im Vergleich, zum Mann von vornherein unfrei; es lud ihr Lasten und Leiden auf, die niemand ihr abnehmen konnte. Es trug aber auch den Keim der Entwicklung aller Zivilisation und aller Sittlichkeit in sich.
Die Mutterliebe, jenes ursprünglichste Gefühl, war die erste Erhellung moralischer Finsternis. Durch die Mutterliebe ging vom Weibe jede Erhebung der Gesittung aus.[1] Denn nicht der Bund zwischen Mann und Weib war, wie uns viele glauben machen wollen, die erste, unumst??liche Vereinigung, sondern der Bund zwischen Mutter und Kind.[2]
Die Entstehung des neuen Lebens aus dem Weibe war zugleich das erste Mysterium, das sich dem Menschen offenbarte. In den Mythologieen vieler V?lker finden wir daher die Spuren g?ttlicher Verehrung des weiblichen Prinzips in der Natur: In der G?ttin Isis beteten die Aegypter die fruchtbare Erde an. Neith, deren geheimnisvoller Tempel in Sais stand, war die Personifikation der mütterlichen, geb?renden Kraft. Von der Urmutter Themis erf?hrt Zeus das nur ihr bekannte Geheimnis des Alls. Ueber Odin, den G?ttervater und alle G?tter der Germanen stehen. Die Schicksalsg?ttinnen, die Nornen. Gunnl?d, ein Weib, verwahrt den Trank der h?chsten Weisheit; durch sie erst wird er Odin zu teil.
Aber die Bedeutung des Weibes als Mutter, die Urgemeinschaft zwischen Mutter und Kind liegt nicht nur der primitiven Religion, sondern auch dem primitiven Recht zu Grunde. Für das natürliche, durch keinerlei Klügeleien beirrte Rechtsbewu?tsein war das Kind Eigentum der Mutter, die es unter ihrem Herzen trug, an ihrer Brust ern?hrte, seine ersten Schritte leitete, ihm Obdach und Nahrung gab. Es ist daher nicht zu verwundern, da? sich übereinstimmend bei zahlreichen V?lkern eine Periode des geltenden Mutterrechts nachweisen l??t.
Vielfach ist diese Bezeichnung so verstanden worden, als ob sie mit Weiberherrschaft identisch w?re, und es giebt sogar Vork?mpfer der Frauenbewegung, die in der Gyn?kokratie das goldene Zeitalter der Freiheit und Gleichheit des weiblichen Geschlechtes preisen, das verlorene Paradies, das wieder gefunden werden mu?. Wer dagegen die Forschungen Morgans, Bachofens und anderer nüchtern prüft, vor dessen Augen erscheint die Zeit des Mutterrechts ohne jede poetische Verkl?rung als ein Zustand primitivster Kultur für Mann und Weib, und er findet keinerlei Zeichen dafür, da? das Weib eine "Oberherrschaft" nach unseren Begriffen ausgeübt hat.[3]
Versuchen wir es, uns ein Bild jenes Zustandes zu machen. Nach jahrtausendelanger Entwicklung hat sich der Mensch aus dem Tierreich losgel?st; er ist aus den Baumwipfeln, wo er sich zum Schutz vor den wilden und st?rkeren Tieren vermutlich aufgehalten hat, zur Erde herabgestiegen und hat den ersten Triumph seines entwickelten Geistes gefeiert, indem er nicht nur den Stein gegen die Bedroher seines Lebens schleudern lernte, sondern ihn durch Bearbeitung zur Waffe gestaltete. Nun wird der Verfolgte zum Verfolger. Wohl kann das Weib, wie er, jagen und k?mpfen, giebt es doch noch heute wilde V?lkerschaften, in denen die Geschlechter einander an Kraft nicht nachstehen,[4] aber sobald sie Kinder gezeugt hat, ist sie an sie gebunden. Dadurch entsteht zugleich die erste Arbeitsteilung; die Frau baut das schützende Dach für sich und ihren hilflosen S?ugling; in die Felle
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