Die Erziehung des Menschengeschlechts

Gotthold Ephraim Lessing
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Die Erziehung des Menschengeschlechts?by Gotthold Ephraim Lessing

The Project Gutenberg EBook of Die Erziehung des Menschengeschlechts
by Gotthold Ephraim Lessing #9 in our series by Gotthold Ephraim Lessing
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Title: Die Erziehung des Menschengeschlechts
Author: Gotthold Ephraim Lessing
Release Date: October, 2005 [EBook #9160] [Yes, we are more than one year ahead of schedule] [This file was first posted on September 9, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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Die Erziehung des Menschengeschlechts
Gotthold Ephraim Lessing
Haec omnia inde esse quibusdam vera, unde in quibusdam falsa sunt. Augustinus.

Herausgegeben von Gotthold Ephraim Lessing Berlin, 1780

Vorbericht des Herausgebers.
Ich habe die erste H?lfte dieses Aufsatzes in meinen Beytr?gen bekannt gemacht. Itzt bin ich im Stande, das Uebrige nachfolgen zu lassen.
Der Verfasser hat sich darum auf einen Hügel gestellt, von welchem er etwas mehr, als den vorgeschriebenen Weg seines heutigen Tages zu übersehen glaubt.
Aber er ruft keinen eilfertigen Wanderer, der nur das Nachtlager bald zu erreichen wünscht, von seinem Pfade. Er verlangt nicht, da? die Aussicht, die ihn entzücket, auch jedes andere Auge entzücken müsse.
Und so, d?chte ich, k?nnte man ihn ja wohl stehen und staunen lassen, wo er steht und staunt!
Wenn er aus der unerme?lichen Ferne, die ein sanftes Abendroth seinem Blicke weder ganz verhüllt noch ganz entdeckt, nun gar einen Fingerzeig mitbrachte, um den ich oft verlegen gewesen!
Ich meyne diesen.--Warum wollen wir in allen positiven Religionen nicht lieber weiter nichts, als den Gang erblicken, nach welchem sich der menschliche Verstand jedes Orts einzig und allein entwickeln k?nnen, und noch ferner entwickeln soll; als über eine derselben entweder l?cheln, oder zürnen? Diesen unsern Hohn, diesen unsern Unwillen, verdiente in der besten Welt nichts: und nur die Religionen sollten ihn verdienen? Gott h?tte seine Hand bey allem im Spiele: nur bey unsern Irrthümern nicht?

§. 1.
Was die Erziehung bey dem einzeln Menschen ist, ist die Offenbarung bey dem ganzen Menschengeschlechte.
§. 2.
Erziehung ist Offenbarung, die dem einzeln Menschen geschieht: und Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte geschehen ist, und noch geschieht.
§. 3.
Ob die Erziehung aus diesem Gesichtspunkte zu betrachten, in der P?dagogik Nutzen haben kann, will ich hier nicht untersuchen. Aber in der Theologie kann es gewi? sehr gro?en Nutzen haben, und viele Schwierigkeiten heben, wenn man sich die Offenbarung als eine Erziehung des Menschengeschlechts vorstellet.
§. 4.
Erziehung giebt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich selbst haben k?nnte: sie giebt ihm das, was er aus sich selber haben k?nnte, nur geschwinder und leichter. Also giebt auch die Offenbarung dem Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und giebt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher.
§ 5.
Und so wie es der Erziehung nicht gleichgültig ist, in welcher Ordnung sie die Kr?fte des Menschen entwickelt; wie sie dem Menschen nicht alles auf einmal beibringen kann: eben so hat auch Gott bey seiner Offenbarung eine gewisse Ordnung, ein gewisses Maa? halten müssen.
§. 6.
Wenn auch der erste Mensch mit einem Begriffe von einem Einigen Gotte sofort ausgestattet wurde: so konnte doch dieser mitgetheilte, und nicht erworbene Begriff, unm?glich lange in seiner Lauterkeit bestehen. Sobald ihn die sich selbst überlassene menschliche Vernunft zu bearbeiten anfing, zerlegte sie den Einzigen Unerme?lichen in mehrere Erme?lichere, und gab jedem dieser Theile ein Merkzeichen.
§. 7.
So entstand natürlicher Weise Vielg?tterey und Abg?tterey. Und wer wei?, wie viele Millionen Jahre sich die menschliche Vernunft noch in diesen Irrwegen würde herumgetrieben haben; ohngeachtet überall und zu allen Zeiten einzelne Menschen erkannten, da? es Irrwege waren: wenn es Gott nicht gefallen h?tte, ihr durch einen neuen Sto? eine bessere Richtung zu geben.
§. 8.
Da er aber einem jeden einzeln Menschen sich nicht mehr offenbaren konnte, noch wollte: so w?hlte er sich ein einzelnes Volk zu seiner besondern Erziehung; und eben das ungeschliffenste, das
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