Die Einsamen | Page 6

Paul Heyse
auch wohl ein Landgut kaufen k?nnen, statt der Mühle hier. Was hilft ihm nun sein Geld bei seinem schweren Herzen!--Setzt Euch, Herr; ich will nicht mehr schwatzen, Ihr sollt den Mund ganz still und richtig aufs Papier malen und die Augen und alles.
Unser Freund stand in nicht geringer Verlegenheit, als er sah, da? es ernst werden sollte. Es ist etwas dunkler hier, sagte er mit klopfendem Herzen.
So gehen wir auf die Wiese.
Dort ist es wieder zu hell, Teresa. Ihr wi?t nicht, wie schwierig es ist, das rechte Licht zu finden.
Wartet, sagte sie, und ?ffnete rasch die Fensterl?den. Ich meine, es ist nun ein hübsches Licht im Hause. Ich wenigstens, wenn ich's gelernt h?tte, ich wollt' Euch hier aufs Haar an die Wand zeichnen.
Nun denn, sagte er kecklich, so fangen wir an.
Er schob zwei Stühle an das eine Fenster, das die Schlucht hinunter den ganzen Lauf des Baches übersah, und bat sie, niederzusitzen. Jene Bl?tter, die er zu sich gesteckt, um irgend eine Eingebung der Muse darauf festzuhalten, zog er hervor und legte sie auf sein Knie, den Stift in der Rechten. Eine tiefe R?te überflammte die braunen Wangen des M?dchens, als sie nun seinen Blick gespannt auf sich ruhen fühlte. Ihr Auge, über dem die dichte Wimper wie die Schwinge eines schwarzen Falters auf und nieder ging, war starr hinaus gerichtet und in wenig Augenblicken feucht umw?lkt durch die Spannung des Blicks. Er bat sie, frei sich zu bewegen, es werde darum nicht schlechter werden. Auch konnte er es sich nicht versagen, an ihrem starken Haar sich ein wenig zu schaffen zu machen. Teresa--! sagte er.
Was ist?
Nichts.--Es war ihm unm?glich, dem gro?en Blick ihrer Augen gegenüber etwas Z?rtliches oder Fades zu sagen. Wie fest und breit und eben war die Stirn, die Brauen wie ruhig geschweift! Er hatte sich jetzt entschlossen, eine halbe Stunde lang eifrig zu tun, als sei er im besten Werk begriffen, und dabei des Anblicks sich zu erfreuen; dann aber das Blatt rasch zu zerrei?en, auf seinen schlechten Tag und sein verwirrtes Auge zu schelten und sich zu verabschieden.
Als er nun eben ruhig seine Stellung gew?hlt hatte und die Miene des Anfangs machte, bemerkte er in der Schlafkammer drüben an der Wand ein m?nnliches Bildnis in schwarzem Rahmen, das ihm einen willkommenen Vorwand gab, noch einmal inne zu halten.
Ihr habt da ein sch?nes Bild Eures Bruders, sagte er und stand auf, es n?her zu betrachten. Wer hat es gemalt? In der Tat, eine treffliche Arbeit. Welch ein sanftes und feuriges Gesicht! Es macht mich immer neugieriger, ihn selber zu sehen.
Den dieses Bild vorstellt, sagte sie z?gernd, werdet Ihr nie mehr lebend sehen.
So ist es nicht Euer Bruder?
Es war sein Freund. Er starb jung, und viele haben ihn beweint.
Es tut Euch weh, Teresa, davon zu sprechen; verzeiht, da? ich so viel zudringliche Fragen tue. Er nahm seinen Platz am Fenster wieder ein. Die R?te war von ihrem Gesicht verschwunden, und ihre Augen sahen erloschen aus. Nach einer Pause, in der nur das Rauschen von der Schlucht herauf an ihr Ohr drang, fing sie von selbst wieder an: Ihr habt recht, sanft und feurig war er, ein Kind konnte ihn betrügen, und doch für die, die er liebte, h?tte er sich in den Vesuv gestürzt, wenn sie es verlangt h?tten. Die M?nner sind alle schlecht, sagt Tommaso. Aber ihn nahm er aus und hatte recht. Wer ihn ansah, wu?te, keine reinere Seele atmete die Luft unterm Monde. Ist es ein Wunder, da? Tommaso das Meer ha?t, welches ihm einen solchen Freund verschlungen hat? Da? er ein schweres Herz hat seit jenem Tag, wo er mit ihm hinausfuhr zum Fischen und ohne ihn wiederkam? Niemand hat es ihm verdacht, da? er tiefsinnig ward von Stund an und sein Gewerbe ihm verleidet war.
Er war auch ein Fischer, wie Euer Bruder?
Er war ein S?nger, Herr, aber ein armes Fischerkind; seine Eltern leben noch heut. Schon als Knabe in den Kirchen schmolz er allen das Herz, wenn er zu singen anfing. Ein reicher Onkel von ihm, der eine Trattoria am Strande hatte, lie? ihn dann lernen bei einem Singmeister; er sollte zur Oper gehen. Und nun stellt Euch vor, am Tage vor seinem ersten Auftreten, wo ganz Neapel schon von nichts anderm sprach, kommt er so gegen Abend zu meinem Bruder; denn sie kannten sich von Kind an und hielten noch immer zusammen. Tomà, sagte er, wollen wir noch eine Meerfahrt machen? Ich habe zu tun, Nino, sagt mein Bruder; die Netze müssen herein, und der Beppo, sagt er, der Knecht mu? mit. --La? ihn zu Hause, Tomà, ich helfe dir schon, ich hab's nicht verlernt über dem Notenlesen.--Und so fahren sie beide hinaus, ich sehe sie noch immer, den Bruder am Steuer, Nino am Ruder; sein Haar flammte in der Abendsonne, und er hatte die Augen auf unser Haus gerichtet; immer
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