Die Einsamen | Page 4

Paul Heyse
zu sagen haben.
Das Meer? Ich sehe es alle Tage von meinem Altan aus.
Aber ich nicht. Erlaubt denn, da? ich die Gelegenheit benutze!--Und sie wandte sich wieder ab.
Sieht man das Meer nicht überall von diesen Bergen aus? fragte er.
Meines Bruders Mühle liegt tief drüben in der Schlucht; der Felsen tritt weit davor und das Gestrüpp oben hat die letzte Aussicht überwachsen.
Ihr lebt bei Eurem Bruder?
Ja, Herr.
Aber Ihr werdet nicht mehr lange dort leben, oder die jungen M?nner in Meta haben keine Augen.
M?gen sie doch Augen haben. Was gehen mich ihre Blicke an? Ich bin glücklicher bei meinem Bruder als alle Frauen auf der Ebene von Sorrent und bis hin nach Neapel.
Habt Ihr nie Verdru? mit der Frau Eures Bruders?
Er hat keine und wird nie eine haben. Er und ich, ich und er--was bedürfen wir mehr, au?er dem Schutz der heiligsten Madonna?
Und seid Ihr so sicher, da? es immer so bleibt, da? ihm niemals ein M?dchen gefallen wird?
So gewi? wie ich lebe. Aber was kümmert's Euch?--Und sie trieb mit einem Schlag der Hand den Esel an, da? er die Ohren schüttelte.
Warum ist Euer Bruder nicht mit Euch in Meta gewesen? fragte der Deutsche wieder, obwohl auch das ihn im Grunde nicht zu kümmern brauchte.
Er verl??t die Mühle nie, nur wenn er beichten geht, droben in Deserta.
Ist er krank?
Er mag keine Menschen sehen, au?er mir. Und der Anblick des Meeres tut ihm weh, seit er damals--aber wer seid Ihr, da? Ihr mich ausfragt? Seid Ihr ein Prete? oder von der Polizei in Neapel?
Er mu?te lachen. Keins von beiden, sagte er; aber zwingt Ihr mich nicht selbst zu fragen? Wenn Ihr mir das Gesicht zukehrtet, würde ich das Sprechen bald vergessen. Nun mu? ich mich durch Eure Stimme zu entsch?digen suchen.
Sie ma? ihn mit einem ernsthaften Blick und fragte dann: Was habt Ihr immer mit meinem Gesicht? Seid Ihr ein Maler?
Er schwieg einen Augenblick, und der alte neidische Verdru? rührte sich wieder in ihm, da? es nur den Malern verstattet sein sollte, einer Sch?nheit nachzugehen. Freilich, wer darf ihnen übelnehmen, was zu ihrem Handwerk geh?rt? Die Glücklichen, die mit diesem Freipa? durch die Welt reisen! Denn da? auch er kraft seiner Art und Kunst ein Recht habe, sich in die Züge dieses M?dchens zu vertiefen, wie konnte er ihr das klarmachen, die sicherlich von der edlen Zunft der Poeten keine Ahnung hatte.
Du willst es auch einmal so gut haben, dachte er bei sich und antwortete mit dreister Stirn: Allerdings, ein Maler bin ich, und wenn Ihr erlaubt--aber wie hei?t Ihr denn?
Teresa.
Wenn Ihr erlaubt, sch?ne Teresa, begleite ich Euch gern in Eure Mühle, um ein Bild von Euch in meinem Skizzenbuch zu entwerfen.
Er tat diese leichtsinnige Bitte unbedenklich, da es ihn stark gelüstete, auch den Bruder zu sehen und einen Blick in die H?uslichkeit der einsamen Geschwister zu werfen. Wenn es dann zum Treffen kam, so sollte sich schon irgend ein Ausweg finden. Und war seine Lüge nicht auch eine Notlüge? Tat es ihm nicht aufrichtig not, noch l?nger in Teresas Augen zu sehen?
Sie besann sich ein Weilchen. Dann sagte sie: Wenn Ihr ein Maler seid, so macht ein Bild von mir, das ich meinem Bruder geben kann. Sterb' ich einmal, so hat er mich immer vor Augen, wie bei meinem Leben. --Seht Ihr den breiten Bach, der dort aus der Schlucht vorspringt und sich über den Weg in die Tiefe stürzt? Er treibt unsere Mühle, und wir müssen rechts einbiegen und ihn verfolgen. Der Regen hat ihn sehr angeschwellt, und der schmale Pfad in der Schlucht ist nicht zu passieren. Wartet! Ihr sollt Euch auf den Esel setzen und hinaufreiten, w?hrend ich ihn führe.
Ihr ihn führen, zu Fu?? Nimmermehr, Teresa!
So bleibt Ihr eben unten; denn wenn Ihr auch barfu? hinaufstieget durch das Wasser wie ich, Ihr kennt das Bett und den Weg nicht und stürztet bei jedem Schritt.
Sie hatte das Tier schon angehalten und sich leicht hinabgeschwungen. W?hrend er noch zaudernd stand und der Gedanke, da? er sie t?uschte, ihn denn doch beunruhigte, hatte sie schon Schuh und Strümpfe von den sch?nen Fü?en gestreift und fa?te nun, ihn ruhig anblickend, den Zaum des Esels.
Mag es denn sein! sagte er halb lachend. Obwohl ich eine wenig ritterliche Figur machen werde, wenn ich Euch das schlimmere Teil überlasse.
Er sa? auf und sie zogen dem Bache zu, das M?dchen voran, den Zügel um ihren Arm geschlungen. Als sie an die Schlucht kamen, warf sie noch einen letzten langen Blick über das Meer; dann lenkte sie, des Wassers, das sie umrauschte, nicht achtend, rechtsab in den Bach hinein, der sich um gro?e Steine w?lzte und die ganze Breite der Schlucht ausfüllte. Hier war es kühl und d?mmerhaft nach der Tageshelle drau?en, und das Gestr?uch hing tief zu beiden Seiten der Felsenenge herein. Der Deutsche, w?hrend das Tier ihn vorsichtig von Stein zu Stein trug und der Gischt ihm
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