neigt die Sonne sich zu ihrem Ziel,
Mit
trägem Schritt seh' ich die Stunden schleichen,
Und mich ergreift ein
schauderndes Gefühl,
Es schreckt mich selbst das wesenlose
Schweigen.
Nichts zeigt sich mir, wie weit die Blicke tragen;
Er
läßt mich hier in meiner Angst verzagen.
Und nahe hör' ich, wie ein rauschend Wehr,
Die Stadt, die
völkerwimmelnde, ertosen;
Ich höre fern das ungeheure Meer
An
seine Ufer dumpferbrandend stoßen.
Es stürmen alle Schrecken auf
mich her,
Klein fühl' ich mich in diesem Furchtbargroßen,
Und
fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume,
Verlier' ich mich im
grenzenlosen Raume.
Warum verließ ich meine stille Zelle?
Da lebt' ich ohne Sehnsucht,
ohne Harm!
Das Herz war ruhig, wie die Wiesenquelle,
An
Wünschen leer, doch nicht an Freuden arm.
Ergriffen jetzt hat mich
des Lebens Welle,
Mich faßt die Welt in ihren Riesenarm;
Zerrissen
hab' ich alle frühern Bande,
Vertrauend eines Schwures leichtem
Pfande.
Wo waren die Sinne?
Was hab' ich gethan?
Ergriff mich bethörend
Ein rasender Wahn?
Den Schleier zerriß ich
Jungfräulicher Zucht,
Die Pforten
durchbrach ich der heiligen Zelle!
Umstrickte mich blendend ein
Zauber der Hölle?
Dem Manne folgt' ich,
Dem kühnen Entführer, in
sträflicher Flucht.
O, komm, mein Geliebter!
Wo bleibst du und säumest? Befreie,
befreie
Die kämpfende Seele! Mich naget die Reue,
Es faßt mich
der Schmerz;
Mit liebender Nähe versichre mein Herz.
Und sollt' ich mich dem Manne nicht ergeben,
Der in der Welt allein
sich an mich schloß?
Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,
Und frühe schon hat ich ein strenges Loos
(Ich darf den dunkeln
Schleier nicht erheben)
Gerissen von dem mütterlichen Schooß.
Nur einmal sah ich sie, die mich geboren,
Doch wie ein Traum ging
mir das Bild verloren.
Und so erwuchs ich still am stillen Orte,
In Lebens Gluth den
Schatten beigesellt,
--Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte,
Schön, wie ein Gott, und männlich, wie ein Held.
O, mein Empfinden
nennen keine Worte!
Fremd kam er mir aus einer fremden Welt,
Und schnell, als wär' es ewig so gewesen,
Schloß sich der Bund, den
keine Menschen lösen.
Vergib, du Herrliche, die mich geboren,
Daß ich, vorgreifend den
verhängten Stunden,
Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.
Nicht frei erwählt' ich's, es hat mich gefunden;
Ein dringt der Gott
auch zu verschloßnen Thoren,
Zu Perseus' Thurm hat er den Weg
gefunden,
Dem Dämon ist sein Opfer unverloren.
Wär' es an öde
Klippen angebunden
Und an des Atlas himmeltragende Säulen,
So
wird ein Flügelroß es dort ereilen.
Nicht hinter mich begehr' ich mehr zu schauen,
In keine Heimath
sehn' ich mich zurück;
Der Liebe will ich liebend mich vertrauen,
Gibt es ein schönres als der Liebe Glück?
Mit meinem Loos will ich
mich gern bescheiden,
Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden.
Nicht kenn' ich sie und will sie nimmer kennen,
Die sich die Stifter
meiner Tage nennen,
Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.
Ein ewig Räthsel bleiben will ich mir;
Ich weiß genug, ich lebe dir!
(Aufmerkend.)
Horch, der lieben Stimme Schall!
--Nein, es war der
Wiederhall
Und des Meeres dumpfes Brausen,
Das sich an den
Ufern bricht,
Der Geliebte ist es nicht!
Weh mir! Weh mir! Wo er
weilet?
Mich umschlingt ein kaltes Grausen!
Immer tiefer
Singt
die Sonne! Immer öder
Wird die Öde! Immer schwerer
Wird das
Herz--Wo zögert er? (Sie geht unruhig umher.)
Aus des Gartens sichern Mauern
Wag' ich meinen Schritt nicht mehr.
Kalt ergriff mich das Entsetzen,
Als ich in die nahe Kirche
Wagte meinen Fuß zu setzen;
Denn mich trieb's mit mächt'gem
Drang
Aus der Seele tiefsten Tiefen,
Als sie zu der Hora riefen,
Hinzuknien an heil'ger Stätte,
Zu der Göttlichen zu flehn,
Nimmer
konnt' ich widerstehn.
Wenn ein Lauscher mich erspähte?
Voll von
Feinden ist die Welt,
Arglist hat auf allen Pfaden,
Fromme
Unschuld zu verrathen,
Ihr betrüglich Netz gestellt.
Grauend hab'
ich's schon erfahren,
Als ich aus des Klosters Hut
In die fremden
Menschenschaaren
Mich gewagt mit frevelm Muth.
Dort, bei jenes
Festes Feier,
Da der Fürst begraben ward,
Mein Erkühnen büßt' ich
theuer,
Nur ein Gott hat mich bewahrt--
Da der Jüngling mir, der
fremde,
Nahte, mit dem Flammenauge,
Und mit Blicken, die mich
schreckten,
Mir das Innerste durchzuckten,
In das tiefste Herz mir
schaute--
Noch durchschauert kaltes Grauen,
Da ich's denke, mir
die Brust!
Nimmer, nimmer kann ich schauen
In die Augen des
Geliebten,
Dieser stillen Schuld bewußt! (Aufhorchend.)
Stimmen
im Garten!
Er ist's, der Geliebte!
Er selber! Jetzt täuschte
Kein
Blendwerk mein Ohr.
Es naht, es vermehrt sich!
In seine Arme!
An seine Brust!
(Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens. Don
Cesar tritt ihr entgegen.)
Zweiter Auftritt.
Don Cesar. Beatrice. Der Chor.
Beatrice (mit Schrecken zurückfliehend.)
Weh mir! Was seh' ich!
(In demselben Augenblick tritt auch der Chor ein.)
Don Cesar.
Holde Schönheit, fürchte nichts!
(Zu dem Chor.)
Der rauhe Anblick
eurer Waffen schreckt
Die zarte Jungfrau--Weicht zurück und bleibt
In ehrerbiet'ger Ferne!
(Zu Beatricen.)
Fürchte nichts!
Die holde Scham, die Schönheit ist mir heilig.
(Der Chor hat sich zurückgezogen. Er tritt ihr näher und ergreift ihre
Hand.)
Wo warst du? Welches Gottes Macht entrückte,
Verbarg dich diese
lange Zeit? Dich hab' ich
Gesucht, nach dir geforschet; wachend,
träumend
Warst du des Herzens einziges Gefühl,
Seit ich bei jenem
Leichenfest des Fürsten,
Wie eines Engels Lichterscheinung, dich
Zum erstenmal erblickte--Nicht verborgen
Blieb dir die Macht, mit
der du mich bezwangst.
Der Blicke Feuer und der Lippe Stammeln,
Die Hand, die in der deinen zitternd lag,
Verrieth sie dir--ein
kühneres Geständniß
Verbot des Ortes ernste Majestät.
--Der Messe
Hochamt rief mich zum Gebet,
Und da ich von den Knieen jetzt
erstanden,
Die ersten Blicke schnell auf dich sich
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