nichts, Vater! Niemand lauscht.
Aietes
(aufspringend und ihn hart anfassend). Ich sage dir, wenn du dein
Leben liebst Sprich nicht davon!
Absyrtus. Wovon?
Aietes. Ich sage dir, begrab's in deiner Brust Es ist kein
Knabenspielzeug, Knab'! Doch alles still hier! Niemand empfängt mich;
Recht wie es ziemt der Widerspenst'gen Sitz.
Absyrtus. Hoch oben am Turme flackert ein Licht. Dort sitzt sie wohl
und sinnt und tichtet.
Aietes. Ruf ihr! Sie soll heraus!
Absyrtus. Gut Vater!
(Er geht dem Turme zu). Komm herab du Wandlerin der Nacht Du
Spät-Wachende bei der einsamen Lampe! Absyrtus ruft, deines Vaters
Sohn!
(Pause.)
Sie kommt nicht, Vater!
Aietes. Sie soll! Ruf lauter!
Absyrtus
(ans Tor schlagend). Holla ho! Hier der König! Heraus ihr!
Medeas Stimme (im Turm). Weh!
Absyrtus. Vater!
Aietes. Was?
Absyrtus (zurückkommend). Hast du gehört? Weh rief's im Turm!
War's die Schwester die rief?
Aietes. Wer sonst! Geh, deine Torheit steckt an. Ich will rufen und sie
soll gehorchen!
(Zum Turme gehend.)
Medea!
Medea (im Turm). Wer ruft?
Aietes. Dein Vater ruft und dein König! Komm herab!
Medea. Was soll ich?
Aietes. Komm herab, sag' ich!
Medea. O laß mich!
Aietes. Zögre nicht! Du reizest meinen Zorn! Im Augenblicke komm!
Medea. Ich komme!
(Aietes verhüllt sich und wirft sich wieder auf den Felsensitz.)
Absyrtus. Wie kläglich, Vater, ist der Schwester Stimme. Was mag ihr
fehlen? Sie dauert mich!-- Dich wohl auch, weil du so schmerzlich
schweigst, Das arme Mädchen!--
(Ihn anfassend.)
Schläfst du, Vater?
Aietes (aufspringend). Törichte Kinder sind der Väter Fluch! Du und
sie, i h r tötet mich, Nicht meine Feinde!
Absyrtus. Still! Horch!--Der Riegel klirrt!--Sie kommt!--Hier ist sie!
Medea (in dunkelroter Kleidung, am Saume mit goldenen Zeichen
gestickt, einen schwarzen, nachschleppenden Schleier der an einem,
gleichfalls mit Zeichen gestickten Stirnbande befestigt ist, auf dem
Kopfe, tritt, eine Fackel in der Hand, aus dem Turme.)
Medea. Was willst du, Herr?
Absyrtus. Ist das die Schwester, Vater? Wie anders doch als sonst, und
ach, wie bleich!
Aietes (zu Absyrtus). Schweig jetzt!
(Zu Medeen.)
Tritt näher!--näher!-- Doch erst Lösch' deine Fackel, sie blendet mir
das Aug!
Medea
(die Fackel am Boden ausdrückend). Das Licht ist verlöscht, es ist
Nacht, o Herr!
Aietes. Jetzt komm!--Doch erst sag' an wer dir erlaubt, Zu fliehn, des
väterlichen Hauses Hut Und hier, in der Gesellschaft nur der Wildnis
Und deines wilden Sinns, Gehorsam weigernd, Zu trotzen meinem
Worte, meinem Wink?
Medea. Du fragst?
Aietes. Ich frage!
Medea. Reden soll ich?
Aietes. Sprich!
Medea. So höre wenn du kannst und zürne wenn du darfst. O könnt' ich
schweigen, ewig schweigen! Verhaßt ist mir dein Haus Mit Schauder
erfüllt mich deine Nähe. Als du den Fremden erschlugst, Den
Götterbeschützten, den Gastfreund Und raubtest sein Gut, Da trugst du
einen Funken in dein Haus, Der glimmt und glimmt und nicht
verlöschen wird, Gössest du auch darüber aus Was an Wasser die
heil'ge Quelle hat, Der Ströme und Flüsse unnennbare Zahl Und das
ohne Grenzen gewaltige Meer. Ein törichter Schütze ist der Mord,
Schießt seinen Pfeil ab ins dunkle Dickicht, Gewinnsüchtig, beutegierig,
Und was er für ein Wild gehalten, Für frohen Jagdgewinn, Es war sein
Kind, sein eigen Blut, Was in den Blättern rauschte, Beeren suchend.
Unglücksel'ger was hast du getan? Feuer geht aus von dir Und ergreift
die Stützen deines Hauses Das krachend einbricht Und uns begräbt.--
Aietes. Unglücksbotin was weißt du?
Medea. In der Schreckensstunde Als sie geschehn war die Tat, Da ward
mein Aug geöffnet Und ich sah sie, sah die Unnennbaren Geister der
Rache. Spinnenähnlich, Gräßlich, scheußlich, Krochen sie her in
abscheulicher Unform Und zogen Fäden, blinkende Fäden, Einfach,
doppelt, tausendfach, Rings um ihr verfallen Gebiet. Du wähnst dich
frei und du bist gefangen, Kein Mensch, kein Gott löset die Bande Mit
denen die Untat sich selber umstrickt. Weh dir, weh uns allen!
Aietes. Verkaufst du mir Träume für Wirklichkeit? Deines Gleichen
magst du erschrecken, Törin! Nicht mich! Hast du die Zeichen, die
Sterne gefragt?
Medea. Glaubst du ich könnt's, ich vermöcht' es? Hundertmal hab' ich
aufgeblickt Zu den glänzenden Zeichen Am Firmament der Nacht. Und
alle hundertmale Sanken meine Blicke Von Schreck getroffen,
unbelehrt. Es schien der Himmel mir ein aufgerolltes Buch Und (Mord)
darauf geschrieben, tausendfach, Und (Rache) mit demantnen Lettern
Auf seinen schwarzen Grund. O frage nicht die Sterne dort am Himmel,
Die Zeichen nicht der schweigenden Natur, Des Gottes Stimme nicht
im Tempel: Betracht' im Bach die irren Wandelsterne, Die scheu dir
blinken aus den düstern Brau'n Die Zeichen die die Tat dir selber
aufgedrückt, Des Gottes Stimme in dem eignen Busen, Sie werden dir
Orakel geben, Viel sicherer als meine arme Kunst, Aus dem was ist und
war, auf das was werden wird.
Absyrtus. Der Vater schweigt. Du bist so seltsam Schwester Sonst
warst du rasch und heiter, frohen Muts; Mich dünkt du bist dreifach
gealtert In der Zeit als ich dich nicht gesehn!
Medea.
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