Die Ahnfrau | Page 6

Franz Grillparzer
du deines gabst für sie!
Jaromir. Staunend steh ich und besch?mt--
Graf. Du? An uns ist's so zu stehn! Ist doch unser Dank so wenig, Ach, und deine Tat so viel!
Jaromir. Viel? O da? ich's sagen k?nnte! Da? es etwas mich gekostet! Da? ich eine Wunde trüge, Eine kleine, kleine Narbe Nur als Denkmal jener Tat! Es kr?nkt tief das K?stliche Um so schlechten Preis zu kaufen!
Graf. Ziert Bescheidenheit den Jüngling, Nicht verkenn er seinen Wert!
Berta. Glaubt ihm nicht, o glaubt ihm nicht! Er liebt selber sich zu schm?hen, Ich wei? das von lange her! Wie so oft lag er vor mir, Meine Kniee hei? umfassend, Und mit schmerzgebrochner Stimme Rief er klagend, weinend aus, Ich verdiene dich nicht Berta! Er nicht mich, er mich nicht!--
Jaromir. Berta!
Graf. Wolltet Ihr wohl, da? sie minder Des Geschenkes Wert erkennte! Trieb Euch gleich zu jener Tat Nur des Herzens edles Streben Recht zu tun und gro? und gut, La?t uns glauben, la?t uns schmeicheln, Da? auf uns, auf unsre Not Auch ein flücht'ger Blick gefallen, Da? Ihr nicht nur blo? beglücken, Da? ihr uns beglücken wolltet. Wer sich ganz dem Dank entzieht, Der erniedrigt den Beschenkten, Freund, indem er sich erhebt!
Jaromir. Was erwidr' ich auf das alles! Wie ich bin, vom Kampf ermüdet, Von den Schrecken dieser Nacht, Taug ich wenig zu bestehen In der Gro?mut edlem Wettstreit.
Graf. Mu?tet Ihr mich erst erinnern Da? Ihr müd und ruhedürstend!
Berta. Ach, was ist ihm denn begegnet?
Graf. Das auf morgen, liebes Kind. Berta komm und la? uns gehn. Unser Günther mag ihn weisen In das k?stlichste Gemach. Dort umhülle tiefer Frieden Mit der Segenshand den Müden Bis der sp?te Morgen naht. O er hat ein weiches Kissen Ein noch unentweiht Gewissen, Das Bewu?tsein seiner Tat!-- So, noch diesen H?ndedruck, So, noch diesen Segensku?, So, mein Sohn jetzt geh zur Ruh' Ein Engel drück' das Aug' dir zu!
Berta (den Alten abführend). Schlummre ruhig!
Jaromir. Lebe wohl'
Berta (an der Türe umwendend). Gute Nacht denn!
Jaromir. Gute Nacht!
(Graf und Berta ab.)
Günther. So, nun kommt mein wackrer Herr Ich will Euch zur Ruhe leiten.
Jaromir (in den Vorgrund tretend). Nehmt mich auf Ihr G?tter dieses Hauses, Nimm mich auf du heil'ger Ort, Von dem Laster nie betreten, Von der Unschuld Hauch durchweht. Unentweihte, reine Stelle Werde wie des Tempels Schwelle Mir zum heiligen Asyl!--
Unerbittlich strenge Macht, Ha nur diese, diese Nacht, Diese Nacht nur g?nne mir, Harte! und dann steh ich dir!
(Mit Günther ab.)
Ende des ersten Aufzuges

Zweiter Aufzug
Halle wie im vorigen Aufzuge. Dichtes Dunkel.
Jaromir (stürzt herein). Ist die H?lle losgelassen Und knüpft sich an meine Fersen? Grinsende Gespenster seh ich Vor mir, an mir, neben mir, Und die Angst mit Vampirrüssel Saugt das Blut aus meinen Adern, Aus dem Kopfe das Gehirn! Da? ich dieses Haus betreten! Engel sah ich an der Schwelle Und die H?lle Hauset drin!-- Doch wo bin ich hingeraten Von der innern Angst getrieben? Ist dies nicht die würd'ge Halle, Die den Kommenden empfing? Still! Die Schl?fer nicht zu st?ren! Stille! Wenn sie würden innen Hier mein seltsames Beginnen!
(An des Grafen Gemach horchend.)
Alles stille.
(An der Türe zur linken Seite des Hintergrundes.)
Welche Laute! Sü?e Laute, die ich kenne, Die ich einzuschlürfen brenne! Horch!--ha!--Worte!--Ach sie betet! Betet!--Betet wohl für mich! Habe Dank du reine Seele! (Horchend.) ?Heil'ger Engel steh uns bei!? Steh mir bei du heil'ger Engel! ?Und beschütz uns!?--O beschütz uns! Ja beschütz mich vor mir selber! O du sü?es, reines Wesen! Nein, ich kann mich nicht mehr halten, Ich mu? hin, ich mu? zu ihr. Will vor ihr mich niederstürzen Und an ihrer reinen Seite Ruh' und Frieden mir erflehn! Ja sie m?ge über mir Wie ob einem Leichnam beten, Und in ihres Atems Wehn Will ich heilig auferstehn!
(Er n?hert sich der Türe; sie geht auf und die Ahnfrau tritt heraus, mit beiden H?nden ernst ihn fortwinkend.)
Jaromir. Ach, da bist du ja du Holde! Ich bin's Teure, zürne nicht! Wink mich nicht so kalt von dir, G?nne dem gepre?ten Herzen Die so lang entbehrte Lust, An der engelreinen Brust, Aus den himmelklaren Augen Trost und Ruhe einzusaugen!
(Die Gestalt tritt aus der Türe, die sich hinter ihr schlie?t, und winkt noch einmal mit beiden H?nden ihm Entfernung zu.)
Jaromir. Ich soll fort? Ich kann nicht, kann nicht! Wie ich dich so sch?n, so reizend Vor den trunknen Augen sehe Rei?t es mich in deine N?he! Ha ich fühle, es wird Tag In der Brust geheimsten Tiefen Und Gefühle, die noch schliefen, Schütteln sich und werden wach.-- Kannst du mich so leiden sehn? Soll ich hier vor dir vergehn? La? dich rühren meinen Jammer, La? mich ein in deine Kammer! Hat die Liebe je verwehrt Was die Liebe hei? begehrt?
(Auf sie zueilend.)
Berta! Meine Berta!
(Wie er sich ihr n?hert, h?lt die Gestalt den rechten Arm mit dem ausgestreckten Zeigefinger ihm entgegen.)
Jaromir (stürzt schreiend zurück). Ha!
Berta (von innen). H?r ich dich nicht Jaromir?
(Beim ersten Laut vom
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