Die Abtissin von Castro | Page 9

Stendhal
er rauhe, ungeschliffene und heftige Umgangsformen, die zu einem Hirten der Campagna gepa?t h?tten. Er nahm schon fr��h das Priestergewand und kam ganz jung nach Rom, wo ihm durch die Gunst seines Vetters Oliviero Carafa, des Kardinals und Erzbischofs von Neapel, geholfen war. Alexander VI., dieser gro?e Mann, der alles wu?te und alles konnte, machte ihn zu seinem K?mmerer, ungef?hr das gleiche, was man bei uns unter einem Ordonanzoffizier versteht. Julius II. ernannte ihn zum Erzbischof von Chieli; Papst Paul machte ihn zum Kardinal und endlich am 23. Mai 1555 wurde er, nach schlimmen Kabalen und vielen Disputen zwischen den zum Konklave eingeschlossenen Kardin?len unter dem Namen Paul IV. zum Papst gew?hlt; er war damals achtundsiebzig Jahre alt. Selbst ��ber die, welche ihn auf den Thron von Sankt Peter berufen hatten, kam bald die Angst, wenn sie die H?rte und die wilde unerbittliche Fr?mmigkeit des Herrn bedachten, den sie sich selbst gesetzt hatten.
Die Neuigkeit dieser unerwarteten Wahl hatte umw?lzende Wirkung in Neapel und Palermo. Binnen wenigen Tagen traf eine gro?e Anzahl von Mitgliedern der illustren Familie Carafa in Rom ein, und alle erhielten Stellen; doch zeichnete der Papst, wie ja nat��rlich, besonders seine drei Neffen aus, S?hne seines Bruders, des Grafen von Montorio.
Don Juan, der ?lteste, war schon verheiratet und wurde zum Herzog von Palliano gemacht. Dieses Herzogtum, dem Marc Antonio Colonna, dem es geh?rt hatte, abgenommen, umfa?te eine gro?e Zahl D?rfer und kleiner St?dte. Don Carlos, der zweite Neffe Seiner Heiligkeit, war Malteserritter und hatte den Krieg mitgemacht; er wurde zum Kardinallegaten von Bologna und Premierminister ernannt. Als ein entschlossener Mann und treu den Traditionen seiner Familie, wagte er es, dem m?chtigsten K?nig der Welt, Philipp II., K?nig von Spanien und beider Indien, feind zu sein, und gab ihm auch Beweise davon. Was den dritten Neffen betraf, den Don Antonio Carafa, so machte der Papst den bereits Verheirateten zum Marchese von Montobello. Schlie?lich gelang es ihm, Franz, dem Dauphin von Frankreich und Sohn Heinrichs II. eine Tochter aus der zweiten Ehe seines Bruders zur Frau zu geben; Paul IV. dachte, ihr als Mitgift das K?nigreich Neapel zu schenken, das man Philipp II., dem K?nig von Spanien h?tte wegnehmen m��ssen. Die Familie Carafa verfolgte mit ihrem Hasse diesen m?chtigen K?nig, dem es aber, auch durch die Fehler dieser Familie unterst��tzt, endlich doch gelang, sie g?nzlich auszutilgen.
Seit Paul IV. den Thron von San Pietro bestiegen hatte, der zu dieser Zeit selbst den erhabenen Herrscher von Spanien zu einem Vasallen machte, wurde er, wie man es bei den meisten seiner Nachfolger gesehen hat, Beispiel aller Tugenden. Er wurde ein gro?er Papst und ein gro?er Heiliger; er bem��hte sich, die Mi?br?uche in der Kirche abzustellen und dadurch auch das allgemeine Konzil abzuwenden, das man vom r?mischen Hofe von allen Seiten verlangte, in das aber eine kluge Politik nicht einzuwilligen riet.
Nach der von der Gegenwart fast v?llig vergessenen Sitte jener Zeit, wo ein Souver?n niemals Vertrauen in Menschen setzte, die noch ein andres Interesse als das seine haben konnten, wurden die Staaten Seiner Heiligkeit in despotischer Weise von seinen drei Neffen regiert. Der Kardinal war erster Minister und verf��gtet nach dem Willen seines Oheims. Der Herzog von Palliano war zum General der Truppen der heiligen Kirche gemacht worden und der Marchese von Montebello lie? als Hauptmann der Palastwache nur Personen eintreten, die ihm genehm waren. Bald begingen diese drei jungen Leute die gr??ten Ausschreitungen; sie begannen damit, sich die G��ter von Familien anzueignen, die ihrer Herrschaft abgeneigt waren. Das Volk wu?te nicht, an wen es sich um Gerechtigkeit wenden sollte. Nicht nur um seinen Besitz mu?te es in Sorge sein, sondern -- im Vaterland der keuschen Lukrezia! -- auch die Ehre der Frauen und T?chter war nicht sicher. Der Herzog von Palliano und seine Br��der entf��hrten die sch?nsten Frauen; es gen��gte, das Ungl��ck zu haben, ihnen zu gefallen. Betroffen sah man, da? sie auf den Adel des Bluts gar keine R��cksicht nahmen, und mehr noch: sie lie?en sich nicht einmal durch die heilige Abgeschlossenheit der Kl?ster zur��ckhalten. Das zur Verzweiflung getriebene Volk wu?te nicht, an wen es seine Klagen richten sollte, so gro? war das Entsetzen, das die drei Br��der allen einfl??ten, die sich dem Papst n?hern wollten; selbst gegen die fremden Botschafter traten sie unversch?mt auf.
Der Herzog hatte schon vor der Machtstellung seines Oheims Violante von Cardona geheiratet, aus einer urspr��nglich spanischen Familie, die in Neapel zum ersten Adel geh?rte. Violante war durch ihre ungew?hnliche Sch?nheit und durch eine Anmut ber��hmt, welche sie gut zu zeigen verstand, wenn sie gefallen wollte, mehr aber noch durch ihren ma?losen Stolz. Doch um gerecht zu sein, mu? man auch sagen, da? man nicht leicht eine gr??ere, st?rkere Seele h?tte finden k?nnen als die ihre, und dies wurde auch der Welt deutlich, als sie vor ihrem Tode dem Kapuziner, der ihr die Beichte abnahm, nichts gestand. Sie
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