Der zerbrochene Krug | Page 9

Heinrich von Kleist
zerbrochen.
Adam Wer?
Frau Marthe Er, der Ruprecht dort.
Ruprecht Das ist gelogen, Herr Richter.
Adam Schweig Er, bis man Ihn fragen wird. Auch heut an Ihn noch
wird die Reihe kommen. --Habt Ihrs im Protokoll bemerkt?
Licht O ja.
Adam Erzählt den Hergang, würdige Frau Marthe.
Frau Marthe Es war Uhr elfe gestern--
Adam Wann, sagt Ihr?
Frau Marthe Uhr elf.
Adam Am Morgen?
Frau Marthe Nein, verzeiht, am Abend-- Und schon die Lamp im Bette
wollt ich löschen, Als laute Männerstimmen, ein Tumult, In meiner
Tochter abgelegnen Kammer, Als ob der Feind einbräche, mich
erschreckt. Geschwind die Trepp eil ich hinab, ich finde Die
Kammertür gewaltsam eingesprengt, Schimpfreden schallen wütend
mir entgegen, Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte, Was find ich
jetzt, Herr Richter, was jetzt find ich? Den Krug find ich zerscherbt im
Zimmer liegen, In jedem Winkel brüchig liegt ein Stück, Das Mädchen
ringt die Händ, und er, der Flaps dort, Der trotzt, wie toll, Euch in des
Zimmers Mitte.
Adam Ei, Wetter!

Frau Marthe Was?
Adam Sieh da, Frau Marthe!
Frau Marthe Ja!-- Drauf ists, als ob, in so gerechtem Zorn, Mir noch
zehn Arme wüchsen, jeglichen Fühl ich mir wie ein Geier ausgerüstet.
Ihn stell ich dort zur Rede, was er hier In später Nacht zu suchen, mir
die Krüge Des Hauses tobend einzuschlagen habe; Und er, zur Antwort
gibt er mir, jetzt ratet-- Der Unverschämte! Der Halunke, der! Aufs Rad
will ich ihn sehen, oder mich Nicht mehr geduldig auf den Rücken
legen; Er spricht, es hab ein anderer den Krug Vom Sims gestürzt--ein
anderer, ich bitt Euch, Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen;
--Und überhäuft mit Schimpf mir da das Mädchen.
Adam O! faule Fische--Hierauf?
Frau Marthe Auf dies Wort Seh ich das Mädchen fragend an; die steht
Gleich einer Leiche da, ich sage: Eve! Sie setzt sich.--Ists ein anderer
gewesen? Frag ich. Und "Joseph und Marie", ruft sie, "Was denkt Ihr,
Mutter, auch?"--So sprich! Wer wars? "Wer sonst", sagt sie,--und wer
auch konnt es anders? Und schwört mir zu, daß ers gewesen ist.
Eve Was schwor ich Euch? Was hab ich Euch geschworen? Nichts
schwor ich, nichts Euch--
Frau Marthe Eve!
Eve Nein! Dies lügt Ihr--
Ruprecht Da hört Ihrs.
Adam Hund, jetzt, verfluchter, schweig, Soll hier die Faust den Rachen
dir nicht stopfen! Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt.
Frau Marthe Du hättest nicht--?
Eve Nein, Mutter! Dies verfälscht Ihr. Seht, leid tuts in der Tat mir tief
zur Seele, Daß ich es öffentlich erklären muß: Doch nichts schwor ich,
nichts, nichts hab ich geschworen.

Adam Seid doch vernünftig, Kinder.
Licht Das ist ja seltsam.
Frau Marthe Du hättest mir, o Eve, nicht versichert Nicht Joseph und
Maria angerufen?
Eve Beim Schwur nicht! Schwörend nicht! Seht, dies jetzt schwör ich,
Und Joseph und Maria ruf ich an.
Adam Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht Sie? Wie
schüchtert Sie das gute Kind auch ein! Wenn sich die Jungfer wird
besonnen haben, Erinnert ruhig dessen, was geschehen, --Ich sage, was
geschehen ist, und was, Spricht sie nicht, wie sie soll, geschehn noch
kann: Gebt acht, so sagt sie heut uns aus, wie gestern, Gleichviel, ob
sie's beschwören kann, ob nicht. Laßt Joseph und Maria aus dem
Spiele.
Walter Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den Parteien so
zweideut'ge Lehren geben.
Frau Marthe Wenn sie ins Angesicht mir sagen kann, Schamlos, die
liederliche Dirne, die, Daß es ein andrer als der Ruprecht war, So mag
meinetwegen sie--ich mag nicht sagen, was. Ich aber, ich versichr es
Euch, Herr Richter, Und kann ich gleich nicht, daß sie's schwor,
behaupten, Daß sie's gesagt hat gestern, das beschwör ich, Und Joseph
und Maria ruf ich an.
Adam Nun weiter will ja auch die Jungfer--
Walter Herr Richter!
Adam Ew. Gnaden? Was sagt er?--Nicht, Herzens-Evchen.
Frau Marthe Heraus damit! Hast du's mir nicht gesagt? Hast du's mir
gestern nicht, mir nicht gesagt?
Eve Wer leugnet Euch, daß ichs gesagt--

Adam Da habt Ihrs.
Ruprecht Die Metze, die!
Adam Schreibt auf.
Veit Pfui, schäm Sie sich.
Walter Von Eurer Aufführung, Herr Richter Adam, Weiß ich nicht, was
ich denken soll. Wenn Ihr selbst Den Krug zerschlagen hättet, könntet
Ihr Von Euch ab den Verdacht nicht eifriger Hinwälzen auf den jungen
Mann, als jetzt. Ihr setzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber, Als
nur der Jungfer Eingeständnis, hoff ich. Vom gestrigen Geständnis,
nicht vom Fakto. --Ists an die Jungfer jetzt schon, auszusagen?
Adam Mein Seel, wenns ihre Reihe noch nicht ist, In solchen Dingen
irrt der Mensch, Ew. Gnaden. Wen hätt ich fragen sollen jetzt?
Beklagten? Auf Ehr! Ich nehme gute Lehre an.
Walter Wie unbefangen!--Ja, fragt den Beklagten. Fragt, macht ein
Ende, fragt, ich bitt Euch sehr: Dies ist die letzte Sache, die Ihr führt.
Adam Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten!
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