Der zerbrochene Krug | Page 4

Heinrich von Kleist
Gevatter Küster soll mir seine borgen; In meine hätt
die Katze heute morgen Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet Mir
unterm Bette da, ich weiß nun schon.
Licht Die Katze? Was? Seid Ihr--?
Adam So wahr ich lebe. Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist
weiß. Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen. Was soll man
machen? Wollt Ihr eine haben?
Licht In die Perücke?
Adam Der Teufel soll mich holen! Ich hatte die Perücke aufgehängt,
Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging, Den Stuhl berühr ich in der
Nacht, sie fällt--
Licht Drauf nimmt die Katze sie ins Maul--
Adam Mein Seel--
Licht Und trägt sie unters Bett und jungt darin.
Adam Ins Maul? Nein--

Licht Nicht? Wie sonst?
Adam Die Katz? Ach, was!
Licht Nicht? Oder Ihr vielleicht?
Adam Ins Maul! Ich glaube Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,
Als ich es sah.
Licht Gut, gut.
Adam Kanaillen die! Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.
Zweite Magd kichernd. Soll ich hingehn?
Adam Ja, und meinen Gruß An Muhme Schwarzgewand, die Küsterin.
Ich schickt ihr die Perücke unversehrt Noch heut zurück, ihm brauchst
du nichts zu sagen. Verstehst du mich?
Zweite Magd Ich werd es schon bestellen. (Ab.)

Dritter Auftritt
Adam und Licht.
Adam Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.
Licht Warum?
Adam Es geht bunt alles über Ecke mir. Ist nicht auch heut
Gerichtstag?
Licht Allerdings. Die Kläger stehen vor der Türe schon.
Adam --Mir träumt', es hätt ein Kläger mich ergriffen Und schleppte
vor den Richtstuhl mich; und ich, Ich säße gleichwohl auf dem
Richtstuhl dort, Und schält' und hunzt' und schlingelte mich herunter,
Und judiziert' den Hals ins Eisen mir.

Licht Wie? Ihr Euch selbst?
Adam So wahr ich ehrlich bin. Drauf wurden beide wir zu eins, und
flohn, Und mußten in den Fichten übernachten.
Licht Nun? Und der Traum, meint Ihr--?
Adam Der Teufel hols. Wenns auch der Traum nicht ist: ein
Schabernack, Sei's, wie es woll, ist wider mich im Werk!
Licht Die läpp'sche Furcht! Gebt Ihr nur vorschriftsmäßig, Wenn der
Gerichtsrat gegenwärtig ist, Recht den Parteien auf dem Richterstuhle,
Damit der Traum vom ausgehunzten Richter Auf andre Art nicht in
Erfüllung geht.

Vierter Auftritt
Der Gerichtsrat Walter tritt auf. Die Vorigen.
Walter Gott grüß Euch, Richter Adam.
Adam Ei, willkommen! Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm
Huisum! Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte So freudigen
Besuches sich gewärt'gen. Kein Traum, der heute früh Glock achte
noch Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.
Walter Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß Auf dieser
Reis', in unsrer Staaten Dienst, Zufrieden sein, wenn meine Wirte mich
Mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen. Inzwischen ich, was
meinen Gruß betrifft, Ich meins von Herzen gut, schon wenn ich
komme. Das Obertribunal in Utrecht will Die Rechtspfleg auf dem
platten Land verbessern, Die mangelhaft von mancher Seite scheint,
Und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten. Doch mein
Geschäft auf dieser Reis' ist noch Ein strenges nicht, sehn soll ich bloß,
nicht strafen, Und find ich gleich nicht alles, wie es soll, Ich freue mich,
wenn es erträglich ist.

Adam Fürwahr, so edle Denkart muß man loben. Ew. Gnaden werden
hie und da, nicht zweifl ich, Den alten Brauch im Recht zu tadeln
wissen; Und wenn er in den Niederlanden gleich Seit Kaiser Karl dem
Fünften schon besteht: Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden? Die
Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger, Und alles liest, ich weiß,
den Puffendorf; Doch Huisum ist ein kleiner Teil der Welt, Auf den
nicht mehr, nicht minder, als sein Teil nur Kann von der allgemeinen
Klugheit kommen. Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf, Und
überzeugt Euch, gnäd'ger Herr, Ihr habt Ihr noch so bald den Rücken
nicht gekehrt, Als sie auch völlig Euch befried'gen wird; Doch fändet
Ihr sie heut im Amte schon, Wie Ihr es wünscht, mein Seel, so wärs ein
Wunder, Da sie nur dunkel weiß noch, was Ihr wollt.
Walter Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr Es sind zu viel,
man wird sie sichten müssen.
Adam Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!
Walter Das ist dort der Herr Schreiber?
Licht Der Schreiber Licht, Zu Eurer Gnaden Diensten. Pfingsten Neun
Jahre, daß ich im Justizamt bin.
Adam bringt einen Stuhl. Setzt Euch.
Walter Laßt sein.
Adam Ihr kommt von Holla schon.
Walter Zwei kleine Meilen--Woher wißt Ihr das?
Adam Woher? Ew. Gnaden Diener--
Licht Ein Bauer sagt' es, Der eben jetzt von Holla eingetroffen.
Walter Ein Bauer?
Adam Aufzuwarten.

Walter --Ja! Es trug sich Dort ein unangenehmer Vorfall zu, Der mir
die heitre Laune störte, Die in Geschäften uns begleiten soll.-- Ihr
werdet davon unterrichtet sein?
Adam Wärs wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul, Weil er Arrest in
seinem Haus empfing, Verzweiflung hätt den Toren überrascht, Er hing
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