Der junge Gelehrte | Page 7

Gotthold Ephraim Lessing
hat, die geglaubt haben, der ehelose Stand sei f��r einen Gelehrten der schicklichste. Gott wei?, ob diese Herren allzu geistlich oder allzu fleischlich sind gesinnt gewesen! Als ein k��nftiger Hagestolz hatte er sich schon auf verschiedene sinnreiche Entschuldigungen gefa?t gemacht.--
Chrysander. Auf Entschuldigungen? kann sich so ein ruchloser Mensch, der dieses heilige Sakrament--Denn im Vorbeigehen zu sagen, ich bin mit unsern Theologen gar nicht zufrieden, da? sie den Ehestand f��r kein Sakrament wollen gelten lassen--der, sage ich, dieses heilige Sakrament verachtet, kann der sich noch unterstehen, seine Gottlosigkeit zu entschuldigen? Aber, Kerl, ich glaube, du machst mir etwas weis; denn nur vorhin schien er ja meinen Vorschlag zu billigen.
Anton. Das ist unm?glich richtig zugegangen. Wie stellte er sich dabei an? Lassen Sie sehen; stand er etwa da, als wenn er vor den Kopf geschlagen w?re? sahe er etwa steif auf die Erde? legte er etwa die Hand an die Stirne? griff er etwa nach einem Buche, als wenn er darin lesen wollte? lie? er Sie etwa ungest?rt fortreden?
Chrysander. Getroffen! du malst ihn, als ob du ihn gesehen h?ttest.
Anton. O da sieht es windig aus! Wann er es so macht, will er haben, da? man ihn f��r zerstreut halten soll. Ich kenne seine Mucken. Er h?rt alsdenn alles, was man ihm sagt; allein die Leute sollen glauben, er habe es vor vielem Nachsinnen nicht geh?rt. Er antwortet zuweilen auch; wenn man ihm aber seine Antwort wieder vorlegt, so wird er nimmermehr zugestehen, da? sie auf das gegangen sei, was man von ihm hat wissen wollen.
Chrysander. Nun, wer noch nicht gestehen will, da? zu viel Gelehrsamkeit den Kopf verwirre, der verdient es selber zu erfahren. Gott sei Dank, da? ich in meiner Jugend gleich das rechte Ma? zu treffen wu?te! Omne nimium vertitur in vitulum: sagen wir Lateiner sehr spa?haft.--Aber Gott sei dem B?sewichte gn?dig, wann er auf dem Vorsatze verharret! Wann er behauptet, es sei nicht n?tig, zu heiraten und Kinder zu zeugen, will er mir damit nicht zu verstehn geben, es sei auch nicht n?tig gewesen, da? ich ihn gezeugt habe? Der undankbare Sohn!
Anton. Es ist wahr, kein gr??ter Undank kann unter der Sonne sein, als wenn ein Sohn die viele M��he nicht erkennen will, die sein Vater hat ��ber sich nehmen m��ssen, um ihn in die Welt zu setzen.
Chrysander. Nein; gewi?, an mir soll der heilige Ehestand seinen Verteidiger finden!
Anton. Der Wille ist gut; aber lauter solche Verteidiger w��rden die Konsumtionsakzise ziemlich geringe machen.
Chrysander. Wieso?
Anton. Bedenken Sie es selbst! drei Weiber, und von der dritten kaum einen Sohn.
Chrysander. Kaum? was willst du mit dem, kaum�� sagen, Schlingel?
Anton. Hui, da? Sie etwas Schlimmers darunter verstehn als ich.
Chrysander. Zwar im Vertrauen, Anton: wenn die Weiber vor zwanzig Jahren so gewesen w?ren, wie die Weiber jetzo sind, ich w��rde auf wunderbare Gedanken geraten. Er hat gar zu wenig von mir! Doch die Weiber vor zwanzig Jahren waren so frech noch nicht wie die jetzigen; so treulos noch nicht, wie sie heutzutage sind; so l��stern noch nicht--
Anton. Ist das gewi?? Nun wahrhaftig, so hat man meiner Mutter unrecht getan, die vor 33 Jahren von ihrem Manne, der mein Vater nicht sein wollte, geschieden wurde! Doch das ist ein Punkt, woran ich nicht gern denke. Die Grillen Ihres Herrn Sohns sind lustiger.
Chrysander. ?rgerlicher, sprich! Aber sage mir, was waren denn seine Entschuldigungen?
Anton. Seine Entschuldigungen waren Einf?lle, die auf seinem Miste nicht gewachsen waren. Er sagte zum Exempel, solange er unter vierzig Jahren sei und ihn jemand um die Ursache fragen w��rde, warum er nicht heirate, wolle er antworten, er sei zum Heiraten noch zu jung. W?re er aber ��ber vierzig Jahr, so wolle er sprechen, nunmehr sei er zum Heiraten zu alt. Ich wei? nicht, wie der Gelehrte hie?, der auch so soll gesagt haben.--Ein anderer Vorwand war der: er heiratete deswegen nicht, weil er alle Tage willens w?re, ein M?nch zu werden; und w��rde deswegen kein M?nch, weil er alle Tage ged?chte zu heiraten.
Chrysander. Was? nun will er auch gar ein M?nch werden? Da sieht man, wohin so ein b?ses Gem��t, das keine Ehrfurcht f��r den heiligen Ehestand hat, verfallen kann! Das h?tte ich nimmermehr in meinem Sohne gesucht!
Anton. Sorgen Sie nicht! bei Ihrem Sohne ist alles nur ein ��bergang. Er hatte den Einfall in der Lebensbeschreibung eines Gelehrten gelesen; er hatte Geschmack daran gefunden und sogleich beschlossen, ihn bei Gelegenheit als den seinen anzubringen. Bald aber ward die Grille von einer andern verjagt, so wie etwann, so wie etwann--Schade, da? ich kein Gleichnis dazu finden kann! Kurz, sie ward verjagt. Er wollte nunmehr heiraten, und zwar einen rechten Teufel von einer Frau.
Chrysander. Wenn doch den Einfall mehr Narren haben wollten, damit andre ehrliche M?nner mit b?sen Weibern verschont blieben.
Anton. Ja, meinte er: es w��rde doch h��bsch klingen, wenn es einmal von ihm hei?en k?nnte: unter die Zahl der Gelehrten, welche der Himmel mit
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