Der goldene Spiegel | Page 7

Jakob Wasserman
geboten hielt, mit der ihm eigenen Mischung von Bestimmtheit und Diskretion zu ?u?ern. Es wurde vereinbart, da? die Freunde erst am Abend kommen sollten, damit Franziska den Tag ��ber ruhen k?nne. Da? man sie zu begr��?en hatte, als wenn nichts geschehen w?re, ohne fordernde Neugier mit ihr sprechen m��sse, war selbstverst?ndlich und die Art und Weise dem Takt jedes Einzelnen ��berlassen.
Mittags umw?lkte sich der Himmel, und als nach Anbruch der Dunkelheit die drei zu Lamberg kamen, regnete es schon seit einigen Stunden. Franziska spielte mit Qu?cola Ball, der dabei eine erquickende Gravit?t entfaltete; so oft der Ball zu Boden fiel, fletschte er w��tend die Z?hne und blickte seine Partnerin mit vorwurfsvollem Erstaunen an. ?Wir lieben uns, wir zwei?, sagte Franziska zu den Freunden, indes der Affe von Lamberg aus dem Zimmer gef��hrt wurde; ?Qu?cola ist mein letzter Anbeter.?
W?hrend des Abendessens lie? nur Hadwiger die w��nschenswerte Haltung vermissen. Stumm sa? er da und betrachtete das hingewelkte Gesch?pf, ein Opfer unbekannter Schicksale, so da? Franziska, ger��hrt und verwirrt, ihm einmal l?chelnd die Hand reichte. Doch gleich darauf nahm sie an dem lebhaften Gespr?ch der andern teil, sprach von Paris, von Marseille, von Rom, als ob sie allein dort gewesen und eine mi?lungene Vergn��gungsreise gemacht h?tte. Als die Tafel aufgehoben war, legte sich Franziska auf die Ottomane, und fr?stelnd bedeckte sie sich von den F��?en bis zum Hals mit einem dunkelhaarigen Schal.
Die jungen M?nner hatten im Halbkreis um sie her Platz genommen, und Borsati, der Franziskas Augen auf dem goldenen Spiegel ruhen sah, bemerkte gegen sie scherzhaft ��bertreibend, es h?tte nicht viel gefehlt, so w?re um das Geschenk Unfrieden entstanden. Lamberg griff das Thema mit Behagen auf und schilderte Cajetans spitz-leutseliges Diplomatenwesen, Rudolfs cholerische Ungeduld, die so oft ihre H��lle von abgekl?rter M??igung zerri? und Heinrich Hadwigers finstern Neid mit vieler Laune, denn er war witzig wie Figaro.
?Georg macht es wie gewisse Diebe?, sagte Cajetan lachend, ?indem sie fliehen, schreien sie: haltet den Dieb. Wer war und ist am meisten in den Spiegel verliebt, mein Teurer? Im ��brigen ist meine Meinung noch immer die, da? es kindisch ist, eine solche Kostbarkeit von Wohnung zu Wohnung zu schleppen,? f��gte er ernst hinzu. ?Jede Hausfrau wird zugeben, da? ihre M?bel durch h?ufigen Umzug besch?digt werden, und mich d��nkt, da? auch das sch?ne Kunstwerk davon Schaden erleidet, vielleicht nur geistig, wenn ihr den Ausdruck erlaubt. Es gleicht beinahe einem Diamantring, der immer wieder an der Hand eines andern gl?nzt.?
?Lassen wir doch das Los entscheiden?, meinte Hadwiger plump, ein Wort, das der Entr��stung Lambergs und der schweigenden Verachtung der beiden andern anheimfiel.
?Ganz ohne Verdienst hoffen Sie zum unumschr?nkten Besitzer werden zu k?nnen?? fragte Lamberg mit vernichtendem Hohn.
?Meine M?glichkeit ist nicht gr??er als die Ihre?, versetzte Hadwiger best��rzt. ?Ohne Verdienst? was hei?t das? Soll der Spiegel eine Pr?mie f��r Leistungen werden? Wir k?nnen uns aneinander nicht messen.?
?Sagen Sie das aus Anma?ung oder aus Bescheidenheit?? erkundigte sich Borsati l?chelnd.
?Was denkt unsere ausgezeichnete Franziska ��ber den Fall?? fragte Cajetan.
?Als echte Frau m��?te sie den Spruch abgeben: wer mich am besten liebt, soll den Spiegel behalten?, entgegnete Borsati.
?Also ein weiblicher K?nig Lear?, sagte Franziska sanft. ?Dabei kommt die Cordelia am schlechtesten weg. Wenn ihr euch in den Haaren liegt, meine lieben Freunde, so mu? ich wirklich glauben, da? mein Geschenk eine Torheit war. Aber ich kenne euch, ihr seid wie die Advokaten, die sich vor Gericht m?rderisch beschimpfen und dann gem��tlich miteinander zum Fr��hst��ck gehn. Soll ich einen Vorschlag machen? Nun gut. Ihr habt doch so manches erlebt, so vieles geh?rt und gesehen, ihr habt doch immer, wenn wir zusammen geplaudert haben, allerlei Am��santes und Merkw��rdiges zu berichten gewu?t. So erz?hlt doch! Erz?hlt doch Geschichten! Wir haben ja wenigstens acht oder zehn Abende vor uns, so lang werdet ihr doch bleiben, hoff ich, und wer die sch?nste Geschichte erz?hlt, oder die sonderbarste oder die menschlichste, eine, bei der wir alle f��hlen, da? uns tiefer nichts ergreifen kann, der soll den Spiegel bekommen. Vielleicht liebt mich der am meisten, der die sch?nste Geschichte erz?hlt, wer wei?. Und vielleicht, eines Tages, wer wei?, vielleicht gibt es eine Geschichte, die auch mich zum Erz?hlen bringt --? Sie hielt inne und sah mit zuckendem Gesicht empor.
Alle schwiegen. ?Ich denk' es mir herrlich?, fuhr Franziska mit einiger Hast fort, als wolle sie ihre letzten Worte ��bert?nen; ?immer spricht eine Stimme, spricht von der Welt, von den Menschen, von Dingen, die weit weg und vergangen sind. Ich liege da und lausche, und ihr zaubert mir spannende Ereignisse vor, habt Freude daran, reizt einander, ��berbietet einander, -- la?t euch doch nicht bitten, sagt ja! Fangt an!?
Wieder entstand ein Schweigen. ?Ich halte das f��r ein verzweifeltes Unternehmen?, murmelte endlich Hadwiger mit der Miene eines Menschen, von dem Unm?gliches gefordert wird.
?Nicht verzweifelt, aber etwas problematisch?, schr?nkte Borsati ein; ?wer wird nicht dabei an den Spiegel denken??
?Wer an den Spiegel denkt,
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