Der Weinhüter

Paul Heyse
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Der Weinhueter, by Paul Heyse

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Title: Der Weinhueter
Author: Paul Heyse
Release Date: October, 2005 [EBook #9099] [This file was first posted on September 6, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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E-text prepared by Delphine Lettau and Mike Pullen

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Der Weinhüter
Paul Heyse
(1862-63)

Im September eines Jahres, dessen Stadt- und Dorfgeschichten aus Menschengedenken schon entschwunden sind, sa? um die schwüle Mittagszeit ein junger Bursch mitten in dem wuchernden Rebenwald, der, dicht an die Stadt Meran herantretend, die Südabh?nge des Küchelberges bedeckt. Die übermannshohen Laubeng?nge, in denen hier der Wein gezogen wird, waren mit dem Segen dieses Jahres so beladen, da? ein dunkelgrünes Zwielicht durch die langen lautlosen Gassen schwebte, zugleich eine tr?ge stockende Glut, in der kein Luftzug Wellen schlug. Kaum wo die kleinen Felstreppen zwischen den einzelnen Weingütern schroff bergan laufen, spürte man, da? man ins Freie auftauchte. Denn das Meer von Siedeglut, das in dem weiten Talkessel wogte, schlug hier doppelt schwer über dem unbeschützten Haupte zusammen. Auch sah man selten einen Menschen des Weges wandern. Nur zahllose Eidechsen liefen feuerfest treppauf treppab und raschelten durch das z?he Efeugestrüpp, das die Grundmauern der Reben?cker reichlich umrankt. Die dunkelblauen Trauben mit den gro?en dickschaligen Beeren hingen dichtgedr?ngt oben an der W?lbung der Laubengitter, und ein seltsam perlender Ton ward in der tiefen Mittagsstille dann und wann h?rbar, als kreise vernehmlich der Saft und koche am Sonnenfeuer in dem edlen Gew?chs.
Der Bursch aber, der in halber H?he des Berges einsam unter den Reben sa?, schien für diese geheimnisvolle Naturstimmung taub und ganz seinen eignen düstern Gedanken hingegeben. Er trug die uralte abenteuerliche Tracht der Weinhüter oder "Saltner", die lederne Joppe, ?rmellos, mit breiten Achselklappen, an denen über den Hemds?rmeln die ledernen Manschetten durch schmale Riemen oder silberne Kettchen festgehalten werden, Kniehosen und Hosentr?ger ebenfalls von Leder und mit dem breiten, daumdicken Gurt umgürtet, auf dem in wei?er Stickerei der Namenszug des Eigners steht, die wei?en Stutzenstrümpfe mit durchbrochenem Muster, um den Hals allerlei Zierat von Kettchen, Eber- und Murmeltierz?hnen. Aber die Hauptstücke seiner Amtstracht lagen neben ihm im Grase: der hohe dreieckige Trutzhut, über und über mit Hahnen- und Pfauenfedern, Fuchs- und Eichhornschw?nzen verbr?mt, keine kleine Last zur Zeit der Traubenreife, und die lange wuchtige Hellebarde, mit der die Saltner ihrer drohenden Erscheinung Nachdruck zu verleihen wissen, wenn ein unbefugter Eindringling in ihr Gebiet nicht gutwillig das Pfandgeld erlegen will.
Tag und Nacht, ohne Abl?sung, ohne Sonntagsruhe und Kirchgang, um einen m??igen Lohn durchstreifen diese "lebendigen Vogelscheuchen" jeder das ihm zugewiesene Revier, von der Mitte des Juli, wo die ersten Beeren sü? werden, bis die letzte Traube in die Kelter gewandert ist. Ihr saurer Dienst in Hitze und N?sse, obdachlos bis auf den kümmerlichen Schutz ihres Maisstrohschuppens, ist dennoch ein Ehrenamt, zu dem nur die rechtschaffensten Burschen ausersehen werden. Auch haben die gelinden sternklaren N?chte in der freien H?he, w?hrend in den H?usern die Tagesschwüle kaum je verdampft, ihren Reiz, und die Besitzer der Weingüter lassen sich's angelegen sein, die W?chter mit Wein und Speisen reichlich zu versorgen, um sie bei Kr?ften und guter Laune zu erhalten.
Es schien jedoch dieses Mittel bei dem finstern Burschen, dem wir uns gen?hert haben, nicht anzuschlagen. Er hatte den Krug mit rotem Wein, das Brot und die gro?en Schnitte ger?ucherten Fleisches, die ihm eben erst zur Mittagskost ein kleiner Knabe heraufgeschleppt hatte, unberührt neben sich stehen auf dem
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