Der Tod in Venedig | Page 8

Thomas Mann
G?rten her ��ber das Wasser klangen, waren auf Deck gekommen, und, vom Asti begeistert, brachten sie Lebehochs auf die dr��ben exerzierenden Bersaglieri aus. Aber widerlich war es zu sehen, in welchen Zustand den aufgestutzten Greisen seine falsche Gemeinschaft mit der Jugend gebracht hatte. Sein altes Hirn hatte dem Weine nicht wie die jugendlich r��stigen Stand zu halten vermocht, er war kl?glich betrunken. Verbl?deten Blicks, eine Zigarette zwischen den zitternden Fingern, schwankte er, m��hsam das Gleichgewicht haltend, auf der Stelle, vom Rausche vorw?rts und r��ckw?rts gezogen. Da er beim ersten Schritte gefallen w?re, getraute er sich nicht vom Fleck, doch zeigte er einen jammervollen ��bermut, hielt jeden, der sich ihm n?herte, am Knopfe fest, lallte, zwinkerte, kicherte, hob seinen beringten, runzeligen Zeigefinger zu alberner Neckerei und leckte auf abscheulich zweideutige Art mit der Zungenspitze die Mundwinkel. Aschenbach sah ihm mit finsteren Brauen zu, und wiederum kam ein Gef��hl von Benommenheit ihn an, so, als zeige die Welt eine leichte, doch nicht zu hemmende Neigung, sich ins Sonderbare und Fratzenhafte zu entstellen; ein Gef��hl, dem nachzuh?ngen freilich die Umst?nde ihn abhielten, da eben die stampfende T?tigkeit der Maschine aufs neue begann und das Schiff seine so nah dem Ziel unterbrochene Fahrt durch den Kanal von San Marco wieder aufnahm. So sah er ihn denn wieder, den erstaunlichsten Landungsplatz, jene blendende Komposition phantastischen Bauwerks, welche die Republik den ehrf��rchtigen Blicken nahender Seefahrer entgegenstellte: die leichte Herrlichkeit des Palastes und die Seufzerbr��cke, die S?ulen mit L?w' und Heiligem am Ufer, die prunkend vortretende Flanke des M?rchentempels, den Durchblick auf Torweg und Riesenuhr, und anschauend bedachte er, da? zu Lande, auf dem Bahnhof in Venedig anlangen, einen Palast durch eine Hintert��r betreten hei?e, und da? man nicht anders als wie nun er, als zu Schiffe, als ��ber das hohe Meer die unwahrscheinlichste der St?dte erreichen sollte.
Die Maschine stoppte, Gondeln dr?ngten herzu, die Fallreepstreppe ward herabgelassen, Zollbeamte stiegen an Bord und walteten obenhin ihres Amtes; die Ausschiffung konnte beginnen. Aschenbach gab zu verstehen, da? er eine Gondel w��nsche, die ihn und sein Gep?ck zur Station jener kleinen Dampfer bringen solle, welche zwischen der Stadt und dem Lido verkehren; denn er gedachte am Meere Wohnung zu nehmen. Man billigt sein Vorhaben, man schreit seinen Wunsch zur Wasserfl?che hinab, wo die Gondelf��hrer im Dialekt mit einander zanken. Er ist noch gehindert, hinabzusteigen, sein Koffer hindert ihn, der eben mit M��hsal die leiterartige Treppe hinunter gezerrt und geschleppt wird. So sieht er sich minutenlang au?erstande, den Zudringlichkeiten des schauderhaften Alten zu entkommen, den die Trunkenheit dunkel antreibt, dem Fremden Abschiedshonneurs zu machen. ?Wir w��nschen den gl��cklichsten Aufenthalt?, meckert er unter Kratzf��?en. ?Man empfiehlt sich geneigter Erinnerung! Au revoir, excusez und bon jour, Euer Exzellenz!? Sein Mund w?ssert, er dr��ckt die Augen ein, er leckt die Mundwinkel, und die gef?rbte Bartfliege an seiner Greisenlippe str?ubt sich empor. ?Unsere Komplimente?, lallt er, zwei Fingerspitzen am Munde, ?unsere Komplimente dem Liebchen, dem allerliebsten, dem sch?nsten Liebchen...? Und pl?tzlich f?llt ihm das falsche Obergebi? vom Kiefer auf die Unterlippe. Aschenbach konnte entweichen. ?Dem Liebchen, dem feinen Liebchen?, h?rte er in girrenden, hohlen und behinderten Lauten in seinem R��cken, w?hrend er, am Strickgel?nder sich haltend, die Fallreepstreppe hinabklomm.
Wer h?tte nicht einen fl��chtigen Schauder, eine geheime Scheu und Beklommenheit zu bek?mpfen gehabt, wenn es zum ersten Male oder nach langer Entw?hnung galt, eine venezianische Gondel zu besteigen? Das seltsame Fahrzeug, aus balladesken Zeiten ganz unver?ndert ��berkommen und so eigent��mlich schwarz, wie sonst unter allen Dingen nur S?rge sind, es erinnert an lautlose und verbrecherische Abenteuer in pl?tschernder Nacht, es erinnert noch mehr an den Tod selbst, an Bahre und d��steres Beg?ngnis und letzte, schweigsame Fahrt. Und hat man bemerkt, da? der Sitz einer solchen Barke, dieser sargschwarz lackierte, mattschwarz gepolsterte Armstuhl, der weichste, ��ppigste, der erschlaffendste Sitz von der Welt ist? Aschenbach ward es gewahr, als er zu F��?en des Gondoliers, seinem Gep?ck gegen��ber, das am Schnabel reinlich beisammen lag, sich niedergelassen hatte. Die Ruderer zankten immer noch, rauh, unverst?ndlich, mit drohenden Geb?rden. Aber die besondere Stille der Wasserstadt schien ihre Stimmen sanft aufzunehmen, zu entk?rpern, ��ber der Flut zu zerstreuen. Es war warm hier im Hafen. Lau anger��hrt vom Hauch des Scirocco, auf dem nachgiebigen Element in Kissen gelehnt, schlo? der Reisende die Augen im Genu? einer so ungewohnten als s��?en L?ssigkeit. Die Fahrt wird kurz sein, dachte er; m?chte sie immer w?hren! In leisem Schwanken f��hlte er sich dem Gedr?nge, dem Stimmengewirr entgleiten.
Wie still und stiller es um ihn wurde! Nichts war zu vernehmen als das Pl?tschern des Ruders, das hohle Aufschlagen der Wellen gegen den Schnabel der Barke, der steil, schwarz und an der Spitze hellebardenartig bewehrt ��ber dem Wasser stand und noch ein Drittes, ein Reden, ein Raunen,--das Fl��stern des Gondoliers, der zwischen den Z?hnen, sto?weise, in Lauten, die von der Arbeit seiner Arme gepre?t waren, zu sich selber sprach. Aschenbach
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