ihm in jedem Augenblick die gro?e Wahrheit zurückzufühlen geben: Kein Mensch kann dafür, wie er geboren ist.
Diese Art Leute beraubt sich aller wahren Sch?tze und Vorzüge des Lebens. Ihre Verachtung wird von denen mit ihren grenzenden St?nden mit Verachtung erwidert, und, weil sie vor ihren Obern nach ihrem angenommenen Grundsatz wieder kriechen müssen, so sind sie eigentlich die Allerverachtesten unter allen Menschenkindern. Rechnet man dazu die Leerheit in der Seele, die dieses ewige Aufbl?hen ihrer selbst verursacht, so wird man ihren Zustand, anstatt ihn zu beneiden, in der Tat eher zu bedauren versucht werden.
Auf der andern Seite gibt es einen Stolz der niedern St?nde, der ebenso unertr?glich ist. Das hei?t, wenn sie einen gewissen Trotz, der zu nichts führt, als alle Verh?ltnisse, die unter Menschen eingerichtet sind, einzurei?en, für die notwendigste Eigenschaft eines braven Menschen halten, der sich, wie sie sagen, nicht unterdrücken l??t. Sie bedenken nicht, da? eben dieser Sto? in die Rechte der andern einen Gegensto? veranla?t, der gerade das macht, was sie Unterdrückung nennen, und am Ende die traurige Spalte zwischen den beiden St?nden, ich meine dem Adel und dem edlen Bürger zurückl??t, die einander doch so unentbehrlich sind.
Wenn jeder Teil dem andern voraus hinlegte, was ihm geh?rt, würde jeder Teil auch seinerseits sich zu bescheiden wissen, nicht mehr zu fodern, und lieber aus Gro?mut etwas von seinen Rechten fahrenzulassen, die ihm der andere aus eben dieser Gro?mut mit Zinsen wieder bezahlte.
Der gn?dige Herr empfing unsern Pfarrer nebst seiner Frau im Speisesaal; die gn?dige Frau nebst dem Fr?ulein lie?en sich nicht eher als nach ein Uhr sehen, da sie sich denn, nach einem kurzen Kompliment von weitem, an ihre Pl?tze setzten, und überhaupt taten, als ob sie der Besuch nicht anginge. Der gn?dige Herr, der ein munterer Mann war, setzte die Frau Pfarrerin zu sich; Pfarrer Mannheim ging und nahm ungebeten seinen Platz zwischen der gn?digen Frau und dem Fr?ulein, deren Antlitz sich mit Blut übergo?, weil eben dieser Platz dem Vetter vom Hause bestimmt war. Sie geruhten wenig über Tisch zu sprechen, a?en desto mehr, richteten das Gespr?ch aber immer an den Herrn Onkel und Herrn Vetter, die wenig zu antworten wu?ten. Pfarrer Mannheim mischte sich in alles mit seiner Beredsamkeit und Weltkenntnis, und hatte bei jedem dritten Wort eine Gans auf der Zunge. Das Wort Gans schlug so oft an die Ohren der gn?digen Frau, da? sie in ihrem Innersten eine dunkle beklemmende Ahndung zu spüren anfing, da? diese ?ftere Wiederholung ein und desselben Worts kein blo?es Werk des Zufalls sein dürfte, und, wie denn kein Unglück und keine Furcht allein geht, gesellte sich auch zu dieser ihrer Furcht eine noch viel alpm??ig drückendere, es m?chten andere in der Gesellschaft eben dieselbe tolle Ahndung haben k?nnen; kurz, sie ward so geschmeidig und freundlich gegen ihren Beisitzer, den Pfarrer Mannheim, da? es einem Zuschauer, der von ungef?hr dazugekommen w?re, das Werk eines halben Wunders geschienen haben mü?te. Sobald sie einlenkte, ward Pfarrer Mannheim auch artiger, und gab ihr auf eine feine Art zu verstehen, da? man einem vernünftigen Mann es durchaus von selbst zutrauen mü?te, da? er gegen das, was Wohlstand und Verh?ltnisse erfoderten, nicht versto?en werde, da? man ihn aber eben dadurch, da? man d?chte, er k?nne dies und jenes bei andern Gelegenheiten mi?brauchen, in die Notwendigkeit setzte, falls er nicht ein Pinsel w?re, sich bei allen m?glichen Gelegenheiten mehr herauszunehmen, als er sollte. "Und überhaupt", sagte er, "gibt das einen peinlichen Umgang, wenn man in Gesellschaften nichts weiter zu tun hat, als auf seiner Hut zu sein, dem andern nicht zu viel einzur?umen."
"Ja, wenn der andere ein vernünftiger Mann ist", sagte der Onkel mit einem sehr gn?digen Blick.
"Von dem rede ich nur", sagte der Pfarrer. "Sie trinken heute nachmittag den Kaffee im Garten mit uns", sagte die gn?dige Frau. "Haben Sie den Almanach der Grazien gelesen?" fragte das Fr?ulein.
Diese Fragen kamen so unmittelbar aufeinander, da? er sie nicht anders als mit einem ehrerbietigen Bückling und einem feinen L?cheln am Munde beantworten konnte. Er sagte, er wollte den Nachmittag die Gnade haben, der gn?digen Frau und dem gn?digen Fr?ulein einige Zeichnungen von seinen Reisen in der Schweiz zu weisen, worunter besonders die Gegenden des Pays de Vaux w?ren, die Rousseau in seiner Heloise so meisterhaft geschildert.
"O Sie sind ein allerliebster Mann", sagte das Fr?ulein.
Die Tafel ward aufgehoben. Nun war der Damm eingerissen, der bisher die Konversation gehemmet; alles flo? in Geselligkeit und Scherz und--Vertraulichkeit zusammen.
Eine harte Prüfung stand ihnen noch bevor. Als sie alle zusammen in Eintracht in der gro?en Sommerlaube im Garten um den Kaffeetisch sa?en, und die schmeichelnden Frühlingslüfte den Erz?hlungen Mannheims von der franz?sischen Schweiz einen geheimen Zauber gaben, der ihn mit Einstimmung aller zum Haupthelden auf der Szene machte--führte das Glück oder Unglück, ganz wie aus den Wolken gefallen, einen nicht eben allzureichen Edelmann aus der Hauptstadt nebst seiner Frau Gemahlin

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