Der Goldene Topf | Page 5

E.T.A. Hoffmann
antwortete, wovon der Student Anselmus aber nur die Worte verstand: ?Dergleichen Anf?lle -- noch nicht bemerkt?? -- Gleich nachher stand auch der Konrektor Paulmann auf und setzte sich mit einer gewissen ernsten gravit?tischen Amtsmiene zu dem Studenten Anselmus, seine Hand nehmend und sprechend: Wie ist Ihnen, Herr Anselmus? Dem Studenten Anselmus vergingen beinahe die Sinne, denn in seinem Innern erhob sich ein toller Zwiespalt, den er vergebens beschwichtigen wollte. Er sah nun wohl deutlich, da? das, was er für das Leuchten der goldenen Schl?nglein gehalten, nur der Widerschein des Feuerwerks bei Antons Garten war; aber ein nie gekanntes Gefühl, er wu?te selbst nicht, ob Wonne, ob Schmerz, zog krampfhaft seine Brust zusammen, und wenn der Schiffer nun so mit dem Ruder ins Wasser hineinschlug, da? es wie im Zorn sich emporkr?uselnd pl?tscherte und rauschte, da vernahm er in dem Get?se ein heimliches Lispeln und Flüstern: Anselmus! Anselmus! siehst Du nicht, wie wir stets vor Dir herziehen? -- Schwesterlein blickt Dich wohl wieder an -- glaube -- glaube -- glaube an uns! -- Und es war ihm, als s?h er im Widerschein drei grünglühende Streifen. Aber als er dann recht wehmütig ins Wasser hineinblickte, ob nun nicht die holdseligen Augen aus der Flut herausschauen würden, da gewahrte er wohl, da? der Schein nur von den erleuchteten Fenstern der nahen H?user herrührte. Schweigend sa? er da und im Innern mit sich k?mpfend; aber der Konrektor Paulmann sprach noch heftiger: Wie ist Ihnen, Herr Anselmus? Ganz kleinmütig antwortete der Student: Ach, lieber Herr Konrektor, wenn Sie wü?ten, was ich eben unter dem Holunderbaum bei der Linkeschen Gartenmauer ganz wachend mit offnen Augen für ganz besondere Dinge getr?umt habe, ach, Sie würden mir es gar nicht verdenken, da? ich so gleichsam abwesend -- Ei, ei, Herr Anselmus, fiel der Konrektor Paulmann ein, ich habe Sie immer für einen soliden jungen Mann gehalten, -- aber tr?umen -- mit hellen offenen Augen tr?umen, und dann mit einem Mal ins Wasser springen wollen, das -- verzeihen Sie mir, k?nnen nur Wahnwitzige oder Narren! -- Der Student Anselmus wurde ganz betrübt über seines Freundes harte Rede; da sagte Paulmanns ?lteste Tochter Veronika, ein recht hübsches blühendes M?dchen von sechzehn Jahren: Aber, lieber Vater, es mu? dem Herrn Anselmus doch was Besonderes begegnet sein, und er glaubt vielleicht nur, da? er gewacht habe, unerachtet er unter dem Holunderbaum wirklich geschlafen und ihm allerlei n?rrisches Zeug vorgekommen, was ihm noch in Gedanken liegt. -- Und, teuerste Mademoiselle, werter Konrektor, nahm der Registrator Heerbrand das Wort, sollte man denn nicht auch wachend in einen gewissen tr?umerischen Zustand versinken k?nnen? So ist mir in der Tat selbst einmal Nachmittags beim Kaffee in einem solchen Hinbrüten, dem eigentlichen Moment k?rperlicher und geistiger Verdauung, die Lage eines verlornen Aktenstücks wie durch Inspiration eingefallen, und nur noch gestern tanzte auf gleiche Weise eine herrliche gro?e lateinische Frakturschrift vor meinen hellen offenen Augen umher. Ach, geehrtester Registrator, erwiderte der Konrektor Paulmann, Sie haben immer solch einen Hang zu den Poeticis gehabt, und da verf?llt man leicht in das Phantastische und Romanhafte. Aber dem Studenten Anselmus tat es wohl, da? man sich seiner in der h?chst betrübten Lage, für betrunken oder wahnwitzig gehalten zu werden, annahm; und unerachtet es ziemlich finster geworden, glaubte er doch zum erstenmale zu bemerken, wie Veronika recht sch?ne dunkelblaue Augen habe, ohne da? ihm jedoch jenes wunderbare Augenpaar, das er in dem Holunderbaum geschaut, in die Gedanken kam. überhaupt war dem Studenten Anselmus mit einem Mal nun wieder das Abenteuer unter dem Holunderbaum ganz verschwunden; er fühlte sich so leicht und froh, ja er trieb es wie im lustigen übermute so weit, da? er bei dem Heraussteigen aus der Gondel seiner Schutzrednerin Veronika die hülfreiche Hand bot, und ohne weiteres, als sie ihren Arm in den seinigen hing, sie mit so vieler Geschicklichkeit und so vielem Glück zu Hause führte, da? er nur ein einziges Mal ausglitt und, da es gerade der einzige schmutzige Fleck auf dem ganzen Wege war, Veronikas wei?es Kleid nur ganz wenig bespritzte. Dem Konrektor Paulmann entging die glückliche ?nderung des Studenten Anselmus nicht, er gewann ihn wieder lieb und bat ihn der harten Worte wegen, die er vorhin gegen ihn fallen lassen, um Verzeihung. Ja, fügte er hinzu, man hat wohl Beispiele, da? oft gewisse Phantasmata dem Menschen vorkommen und ihn ordentlich ?ngstigen und qu?len k?nnen; das ist aber k?rperliche Krankheit, und es helfen Blutigel, die man, salva venia, dem Hintern appliziert, wie ein berühmter bereits verstorbener Gelehrter bewiesen. Der Student Anselmus wu?te nun in der Tat selbst nicht, ob er betrunken, wahnwitzig oder krank gewesen; auf jeden Fall schienen ihm aber die Blutigel ganz unnütz, da die etwaigen Phantasmata g?nzlich verschwunden und er sich immer heiterer fühlte, je mehr es ihm gelang sich in allerlei Artigkeiten um die hübsche Veronika zu bemühen. Es wurde wie gew?hnlich
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