Der Freigeist | Page 9

Gotthold Ephraim Lessing
nicht mehr zu, Herr Theophan? Wie so zerstreut? wie so unruhig?
Theophan. Ich wei? nicht, wo mein Vetter bleibt?--
Lisette. Er wird ja wohl kommen.--
Theophan. Ich mu? ihm wirklich nur wieder entgegengehn.--Adieu, Lisette!

Vierter Auftritt
Lisette. Das hei?e ich kurz abgebrochen!--Er wird doch nicht verdrie?lich geworden sein, da? ich ihm ein wenig auf den Zahn f��hlte? Das brave M?nnchen! Ich will nur gerne sehen, was noch daraus werden wird. Ich g?nne ihm wirklich alles Gutes, und wenn es nach mir gehen sollte, so w��?te ich schon, was ich t?te.--(Indem sie sich umsieht.) Wer k?mmt denn da den Gang hervor?--Sind die es?--Ein Paar allerliebste Schlingel! Adrasts Johann, und Theophans Martin: die wahren Bilder ihrer Herren, von der h??lichen Seite! Aus Freigeisterei ist jener ein Spitzbube; und aus Fr?mmigkeit dieser ein Dummkopf. Ich mu? mir doch die Lust machen, sie zu behorchen. (Sie tritt zur��ck.)

F��nfter Auftritt
Lisette, halb versteckt hinter einer Szene. Johann. Martin.
Johann. Was ich dir sage!
Martin. Du mu?t mich f��r sehr dumm ansehen. Dein Herr ein Atheist? das glaube sonst einer! Er sieht ja aus wie ich und du. Er hat H?nde und F��?e; er hat das Maul in der Breite und die Nase in der L?nge, wie ein Mensch; er red't, wie ein Mensch; er i?t, wie ein Mensch:--und soll ein Atheist sein?
Johann. Nun? sind denn die Atheisten keine Menschen?
Martin. Menschen? Ha! ha! ha! Nun h?re ich, da? du selber nicht wei?t, was ein Atheist ist.
Johann. Zum Henker! du wirst es wohl besser wissen. Ei! belehre doch deinen unwissenden N?chsten.
Martin. H?r zu!--Ein Atheist ist--eine Brut der H?lle, die sich, wie der Teufel, tausendmal verstellen kann. Bald ist's ein listiger Fuchs, bald ein wilder B?r;--bald ist's ein Esel, bald ein Philosoph;--bald ist's ein Hund, bald ein unversch?mter Poete. Kurz, es ist ein Untier, das schon lebendig bei dem Satan in der H?lle brennt,--eine Pest der Erde,--eine abscheuliche Kreatur,--ein Vieh, das dummer ist, als ein Vieh;--ein Seelenkannibal,--ein Antichrist,--ein schreckliches Ungeheuer--
Johann. Es hat Bocksf��?e: nicht? Zwei H?rner? einen Schwanz?--
Martin. Das kann wohl sein.--Es ist ein Wechselbalg, den die H?lle durch--durch einen unz��chtigen Beischlaf mit der Weisheit dieser Welt erzeugt hat;--es ist--ja, sieh, das ist ein Atheist. So hat ihn unser Pfarr abgemalt; der kennt ihn aus gro?en B��chern.
Johann. Einf?ltiger Sch?ps!--Sieh mich doch einmal an.
Martin. Nu?
Johann. Was siehst du an mir?
Martin. Nichts, als was ich zehnmal besser an mir sehen kann.
Johann. Findest du denn etwas Erschreckliches, etwas Abscheuliches an mir? Bin ich nicht ein Mensch, wie du? Hast du jemals gesehen, da? ich ein Fuchs, ein Esel, oder ein Kannibal gewesen w?re?
Martin. Den Esel la? immer weg, wenn ich dir antworten soll, wie du gerne willst.--Aber, warum fragst du das?
Johann. Weil ich selbst ein Atheist bin; das ist, ein starker Geist, wie es jetzt jeder ehrlicher Kerl nach der Mode sein mu?. Du sprichst, ein Atheist brenne lebendig in der H?lle. Nun! rieche einmal: riechst du einen Brand an mir?
Martin. Drum eben bist du keiner.
Johann. Ich w?re keiner? Tue mir nicht die Schande an, daran zu zweifeln, oder--Doch wahrhaftig, das Mitleiden verhindert mich, b?se zu werden. Du bist zu beklagen, armer Schelm!
Martin. Arm? La? einmal sehen, wer die vergangene Woche das meiste Trinkgeld gekriegt hat. (Er greift in die Tasche.) Du bist ein l��derlicher Teufel, du vers?ufst alles--
Johann. La? stecken! Ich rede von einer ganz andern Armut, von der Armut des Geistes, der sich mit lauter elenden Brocken des Aberglaubens ern?hren, und mit lauter armseligen Lumpen der Dummheit kleiden mu?.--Aber so geht es euch Leuten, die ihr nicht weiter, als h?chstens vier Meilen hinter den Backofen kommt. Wenn du gereiset w?rest, wie ich--
Martin. Gereist bist du? La? h?ren, wo bist du gewesen?
Johann. Ich bin gewesen--in Frankreich--
Martin. In Frankreich? Mit deinem Herrn?
Johann. Ja, mein Herr war mit.
Martin. Das ist das Land, wo die Franzosen wohnen?--So wie ich einmal einen gesehen habe,--das war eine schnurrige Kr?te! In einem Augenblicke konnte er sich siebenmal auf dem Absatze herumdrehen, und dazu pfeifen.
Johann. Ja, es gibt gro?e Geister unter ihnen! Ich bin da erst recht klug geworden.
Martin. Hast du denn auch Frankreich'sch gelernt?
Johann. Franz?sisch, willst, du sagen:--vollkommen.
Martin. Oh! rede einmal!
Johann. Das will ich wohl tun.--Quelle heure est-il, maraut? Le p��re et la m��re une fille de coups de baton. Comment coquin? Diantre diable carogne �� vous servir.
Martin. Das ist schnakisch! Und das Zeug k?nnen die Leute da verstehen? Sag einmal, was hie? das auf deutsch?
Johann. Ja! auf deutsch! Du guter Narre, das l??t sich auf deutsch nicht so sagen. Solche feine Gedanken k?nnen nur franz?sisch ausgedr��ckt werden.
Martin. Der Blitz!--Nu? wo bist du weiter gewesen?
Johann. Weiter? In England--
Martin. In England?--Kannst du auch Engl?nd'sch
Johann. Was werde ich nicht k?nnen?
Martin. Sprich doch!
Johann. Du mu?t wissen, es ist eben wie das Franz?sische. Es ist franz?sisch, versteh mich, auf englisch ausgesprochen. Was h?rst du dir dran ab?--Ich will dir ganz andre Dinge sagen, wenn du mir zuh?ren willst. Dinge, die ihresgleichen nicht haben m��ssen. Zum Exempel, auf unsern
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