Der Freigeist | Page 3

Gotthold Ephraim Lessing
hat? Er hat uns eine edlere Freundschaft befohlen, welche jenes blinden Hanges, den auch die unvernünftigen Tiere nicht missen, entbehren kann: eine Freundschaft, die sich nach erkannten Vollkommenheiten mitteilet; welche sich nicht von der Natur lenken l??t, sondern welche die Natur selbst lenket.
Adrast. O Geschw?tze!
Theophan. Ich mu? Ihnen dieses sagen, Adrast, ob Sie es gleich ebensowohl wissen k?nnten, als ich; und auch wissen sollten. Was würden Sie selbst von mir denken, wenn ich den Verdacht nicht mit aller Gewalt von mir abzulenken suchte, als mache mich die Religion zu einem Ver?chter der Freundschaft, die Religion, die Sie nur allzugern aus einem wichtigen Grunde verachten m?chten?--Sehen Sie mich nicht so geringsch?tzig an; wenden Sie sich nicht auf eine so beleidigende Art von mir--
Adrast (beiseite). Das Pfaffengeschmei?!--
Theophan. Ich sehe, Sie gebrauchen Zeit, den ersten Widerwillen zu unterdrücken, den eine widerlegte Lieblingsmeinung natürlicherweise erregt.--Ich will Sie verlassen. Ich erfuhr itzt ohnedem, da? einer von meinen Anverwandten mit der Post angelangt sei. Ich gehe ihm entgegen, und werde die Ehre haben Ihnen denselben vorzustellen.

Zweiter Auftritt
Adrast.--Da? ich ihn nimmermehr wiedersehen dürfte! Welcher von euch Schwarzr?cken w?re auch kein Heuchler?--Priestern habe ich mein Unglück zu danken. Sie haben mich gedrückt, verfolgt, so nahe sie auch das Blut mit mir verbunden hatte. Hassen will ich dich, Theophan und alle deines Ordens! Mu? ich denn auch hier in die Verwandtschaft der Geistlichkeit geraten?--Er, dieser Schleicher, dieser bl?de Verleugner seines Verstandes, soll mein Schwager werden?--Und mein Schwager durch Julianen?--Durch Julianen?--Welch grausames Geschick verfolgt mich doch überall! Ein alter Freund meines verstorbenen Vaters tr?gt mir eine von seinen T?chtern an. Ich eile herbei, und mu? zu sp?t kommen, und mu? die, welche auf den ersten Anblick mein ganzes Herz hatte, die, mit der ich allein glücklich leben konnte, schon versprochen finden. Ach Juliane! So warest du mir nicht bestimmt? du, die ich liebe? Und so soll ich mich mit einer Schwester begnügen, die ich nicht liebe?--

Dritter Auftritt
Lisidor. Adrast.
Lisidor. Da haben wir's! Schon wieder allein, Adrast? Sagen Sie mir, müssen die Philosophen so zu Winkel kriechen? Ich wollte doch lieber sonst was sein--Und, wenn ich recht geh?rt habe, so sprachen Sie ja wohl gar mit sich selber? Nu, nu! es ist schon wahr: ihr Herren Grillenf?nger k?nnt freilich mit niemand Klügerm reden, als mit euch selber. Aber gleichwohl ist unsereiner auch kein Katzenkopf. Ich schwatze eins mit, es mag sein, von was es will.
Adrast. Verzeihen Sie--
Lisidor. Je, mit Seinem Verzeihen! Er hat mir ja noch nichts zuwider getan--Ich habe gern, wenn die Leute lustig sind. Und ich will kein ehrlicher Mann sein, wenn ich mir nicht eine rechte Freude darauf eingebildet habe, den Wildfang, wie sie Ihn sonst zu Hause nannten, zu meinem Schwiegersohne zu haben. Freilich ist Er seitdem gro? gewachsen; Er ist auf Reisen gewesen; Er hat Land und Leute gesehen. Aber, da? Er so gar sehr ver?ndert würde wiedergekommen sein, das h?tte ich mir nicht tr?umen lassen. Da geht Er nun, und spintisiert von dem, was ist--und was nicht ist,--von dem, was sein k?nnte, und wenn es sein k?nnte, warum es wieder nicht sein k?nnte;--von der Notwendigkeit, der halben und ganzen, der notwendigen Notwendigkeit, und der nicht notwendigen Notwendigkeit;--von den A--A--wie hei?en die kleinen Dingerchen, die so in den Sonnenstrahlen herumfliegen? von den A--A--Sage doch, Adrast--
Adrast. Von den Atomis, wollen Sie sagen.
Lisidor. Ja, ja, von den Atomis, von den Atomis. So hei?en sie, weil man ihrer ein ganz Tausend mit einem Atem hinunterschlucken kann.
Adrast. Ha! ha! ha!
Lisidor. Er lacht, Adrast? Ja, mein gutes Bürschchen, du mu?t nicht glauben, da? ich von den Sachen ganz und gar nichts verstehe. Ich habe euch, Ihn und den Theophan, ja oft genug darüber zanken h?ren. Ich behalte mir das Beste. Wenn ihr euch in den Haaren liegt, so fische ich im trüben. Da f?llt manche Brocke ab, die keiner von euch brauchen kann, und die ist für mich. Ihr dürft deswegen nicht neidisch auf mich sein; denn ich bereichere mich nicht von einem allein. Das nehme ich von dir, mein lieber Adrast; und das vom Theophan; und aus allen dem mache ich mir hernach ein Ganzes--
Adrast. Das vortrefflich ungeheuer sein mu?.
Lisidor. Wieso?
Adrast. Sie verbinden Tag und Nacht, wenn Sie meine mit Theophans Gedanken verbinden.
Lisidor. Je nu! so wird eine angenehme D?mmerung daraus.--Und überhaupt ist es nicht einmal wahr, da? ihr so sehr voneinander unterschieden w?ret. Einbildungen! Einbildungen! Wie vielmal habe ich nicht allen beiden zugleich recht gegeben? Ich bin es nur allzuwohl überzeugt, da? alle ehrliche Leute einerlei glauben.
Adrast. Sollten! sollten! das ist wahr.
Lisidor. Nun da sehe man! was ist nun das wieder für ein Unterscheid? Glauben, oder glauben sollen: es k?mmt auf eines heraus. Wer kann alle Worte so abzirkeln?--Und ich wette was, wenn ihr nur erst werdet Schw?ger sein, kein Ei wird dem andern ?hnlicher sein k?nnen.--
Adrast. Als ich dem Theophan, und er mir?
Lisidor. Gewi?. Noch wi?t ihr nicht, was
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