sehr
geliebt. Meine Frau und ich haben oft geweint, wenn er davon sprach.«
Er zog bei diesen Worten ein großes, buntes Taschentuch hervor und
fuhr sich damit über Stirn und Augen, sei es um sich Tränen oder
Schweiß damit zu trocknen.
»Ich bitte Sie,« sagte =Dr.= Zeunemann freundlich, »genau auf meine
Fragen zu achten und sie kurz und deutlich zu beantworten. Hat der
Angeklagte Ihnen zuweilen von einer Aussicht gesprochen, Geld von
seiner geschiedenen Frau zu erhalten, sei es bei ihren Lebzeiten oder
nach ihrem Tode?«
»Ich glaube,« sagte Verzielli, sein Taschentuch quetschend, »er sagte
gelegentlich einmal, seine geschiedene Frau sei reich, und er sei
überzeugt, sie würde ihm geben, was er brauchte, wenn er sie darum
bäte.«
»Erinnern Sie sich, wann er Ihnen das gesagt hat?«
»Ich glaube,« sagte Verzielli, »daß es in der letzten Zeit nicht gewesen
ist.«
»Wir kommen jetzt,« sagte der Vorsitzende, nach einem leichten
Räuspern die Stimme hebend, »zu einem sehr wichtigen Punkt, und ich
fordere Sie auf, Herr Verzielli, Ihre Aufmerksamkeit und Ihr
Gedächtnis energisch zusammenzufassen. Denken Sie vor allen Dingen
nicht daran, welche Folgen Ihre Aussagen für den Angeklagten haben
könnten, sondern nur daran, daß Sie einen Eid geschworen haben, die
Wahrheit zu sagen!«
Verzielli richtete sich stramm auf, blickte dem Vorsitzenden fest ins
Auge und umfaßte krampfhaft sein Taschentuch.
»Erzählen Sie uns genau mit allen Einzelheiten, wie es sich begab, daß
Sie von dem Gerücht, =Dr.= Deruga habe seine Frau ermordet,
erfuhren, und daß Sie ihn davon in Kenntnis setzten!«
Verzielli schwieg und starrte angelegentlich in einen Winkel,
augenscheinlich bemüht, seine Gedanken zu sammeln.
»Ich will Ihnen zu Hilfe kommen,« sagte =Dr.= Zeunemann
nachsichtig. »Am Abend des 25. November kam Cavaliere Faramengo,
der italienische Konsul, in Ihr Restaurant, um ein Glas Wein zu trinken,
wie er zuweilen tat. Er fragte Sie nach dem Angeklagten aus, und Sie
erfuhren von ihm, daß von München aus Erkundigungen über ihn
eingezogen wären, und daß er im Verdacht stehe, seine geschiedene
Frau, die Anfang Oktober gestorben war und ihn zum Erben ihres
Vermögens eingesetzt hatte, ermordet zu haben. Außer sich vor
Entrüstung liefen Sie sofort zu dem Angeklagten, erzählten ihm alles
und sagten, wenn Sie nur wüßten, wer der Verleumder wäre, Sie
würden ihn töten. Der Angeklagte sagte lachend: 'Dummkopf, ich habe
es ja getan.' Das ist, was der Untersuchungsrichter nicht ohne Mühe aus
Ihnen herausgebracht hat. Bestätigen Sie es jetzt vor dem versammelten
Gericht und vor den Geschworenen?«
»Es ist wahr, daß =Dr.= Deruga sagte: 'Dummkopf, ich habe es ja
getan,' aber er hatte nur insofern recht, als er mich einen Dummkopf
nannte, denn er meinte ...«
»Bleiben Sie bei der Sache!« sagte =Dr.= Zeunemann. »Was
antworteten Sie darauf?«
»Ich sagte, das wäre nicht möglich, und davon war ich auch überzeugt,
daß es unmöglich wäre; aber in dem Zustand von Aufgeregtheit, in dem
ich mich befand, bat ich ihn, augenblicklich nach Amerika zu fliehen,
und bot ihm mein ganzes Vermögen an, damit er sich dort weiter helfen
könnte.«
»Guter Mann,« sagte plötzlich Deruga laut.
Verzielli, der es bisher vermieden hatte, nach der Anklagebank
hinüberzusehen, wandte jetzt den Kopf herum und warf Deruga einen
verzweifelten Blick zu.
Auch =Dr.= Zeunemann sah ihn an. »Wie erklären Sie es,« sagte er,
»daß Sie im ersten Augenblick der Überraschung Verzielli gegenüber
die Tat zugaben?«
»Ich wollte sehen, was für ein Gesicht er machte,« sagte Deruga
leichthin, »das ist alles.«
»Ja, natürlich,« fiel Verzielli rasch ein. »So war er. Das ist ganz er. O
Gott, er hatte recht, mich einen Dummkopf zu nennen. Ja, ein Esel, ein
verwünschter Tölpel war ich, es nicht sofort klar zu durchschauen.«
»Bei der Sache bleiben,« unterbrach =Dr.= Zeunemann. »Die
Stimmung des Angeklagten schlug unvermittelt um, er geriet in Wut
und wollte sofort zum italienischen Konsul laufen, um zu erfahren, wer
ihn verleumdet hätte. 'Sie haben es also nicht getan,' riefen Sie und
beschworen den Angeklagten, keinen übereilten Schritt zu tun und mit
dem Besuch beim Konsul bis zum folgenden Morgen zu warten.
Fürchteten Sie vielleicht, er würde sich in seiner Wut am Konsul
vergreifen?«
»Gott bewahre!« rief Verzielli entrüstet. »Der Konsul sollte nur nicht
erfahren, daß ich Deruga alles ausgeplaudert hatte. Auch fürchtete ich,
daß =Dr.= Deruga in seinem gerechten Zorne sich allzu heftig äußern
und dadurch den Konsul gegen sich einnehmen würde. Kurz, ich war
ein Dummkopf und war maßlos aufgeregt. Ich wußte nicht, was ich
sagte und was ich tat.«
Der Staatsanwalt war im Laufe des Verhörs aufgestanden und
begleitete die Antworten des Italieners mit unwillkürlichen Gebärden
und hier und da mit einem höhnischen Lachen oder entrüsteten Ausruf.
»In Ihrer Aufgeregtheit,« sagte er jetzt, sich vorbeugend, »hatten Sie
jedenfalls den Eindruck, daß der Angeklagte im Ernst sprach, als er
sagte: 'Ich habe es ja getan.' Sonst hätten Sie hernach nicht ausgerufen:
'Sie haben es also nicht getan!'«
Verzielli warf einen zornigen und verächtlichen Blick auf
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