Der Arme Spielmann

Franz Grillparzer
Der Arme Spielmann

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Title: Der arme Spielmann
Author: Franz Grillparzer
Release Date: September, 2005 [EBook #8961] [Yes, we are more than one year ahead of schedule] [This file was first posted on September 1, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO Latin-1
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Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau.

This Etext is in German.
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Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verf��gung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.

DER ARME SPIELMANN
von FRANZ GRILLPARZER
Erz?hlung (1847)
In Wien ist der Sonntag nach dem Vollmonde im Monat Juli jedes Jahres samt dem darauffolgenden Tage ein eigentliches Volksfest, wenn je ein Fest diesen Namen verdient hat. Das Volk besucht es und gibt es selbst; und wenn Vornehmere dabei erscheinen, so k?nnen sie es nur in ihrer Eigenschaft als Glieder des Volks. Da ist keine M?glichkeit der Absonderung; wenigstens vor einigen Jahren noch war keine.
An diesem Tage feiert die mit dem Augarten, der Leopoldstadt, dem Prater in ununterbrochener Lustreihe zusammenh?ngende Brigittenau ihre Kirchweihe. Von Brigittenkirchtag zu Brigittenkirchtag z?hlt seine guten Tage das arbeitende Volk. Lange erwartet, erscheint endlich das saturnalische Fest. Da entsteht Aufruhr in der gutm��tig ruhigen Stadt. Eine wogende Menge erf��llt die Stra?en. Ger?usch von Fu?tritten, Gemurmel von Sprechenden, das hie und da ein lauter Ausruf durchzuckt. Der Unterschied der St?nde ist verschwunden; B��rger und Soldat teilt die Bewegung. An den Toren der Stadt w?chst der Drang. Genommen, verloren und wiedergenommen, ist endlich der Ausgang erk?mpft. Aber die Donaubr��cke bietet neue Schwierigkeiten. Auch hier siegreich, ziehen endlich zwei Str?me, die alte Donau und die geschwollnere Woge des Volks, sich kreuzend quer unter- und ��bereinander, die Donau ihrem alten Flu?bette nach, der Strom des Volkes, der Eind?mmung der Br��cke entnommen, ein weiter, tosender See, sich ergie?end in alles deckender ��berschwemmung. Ein neu Hinzugekommener f?nde die Zeichen bedenklich. Es ist aber der Aufruhr der Freude, die Losgebundenheit der Lust.
Schon zwischen Stadt und Br��cke haben sich Korbwagen aufgestellt f��r die eigentlichen Hierophanten dieses Weihfestes: die Kinder der Dienstbarkeit und der Arbeit. ��berf��llt und dennoch im Galopp durchfliegen sie die Menschenmasse, die sich hart vor ihnen ?ffnet und hinter ihnen schlie?t, unbesorgt und unverletzt. Denn es ist in Wien ein stillschweigender Bund zwischen Wagen und Menschen: nicht zu ��berfahren, selbst im vollen Lauf; und nicht ��berfahren zu werden, auch ohne alle Aufmerksamkeit.
Von Sekunde zu Sekunde wird der Abstand zwischen Wagen und Wagen kleiner. Schon mischen sich einzelne Equipagen der Vornehmeren in den oft unterbrochenen Zug. Die Wagen fliegen nicht mehr. Bis endlich f��nf bis sechs Stunden vor Nacht die einzelnen Pferde- und Kutschen-Atome sich zu einer kompakten Reihe verdichten, die, sich selber hemmend und durch Zufahrende aus allen Quergassen gehemmt, das alte Sprichwort "Besser schlecht gefahren, als zu Fu?e gegangen" offenbar zuschanden macht. Begafft, bedauert, bespottet, sitzen die geputzten Damen in den scheinbar stillestehenden Kutschen. Des immerw?hrenden Anhaltens ungewohnt, b?umt sich der Holsteiner Rappe, als wollte er seinen durch den ihm vorgehenden Korbwagen gehemmten Weg obenhin ��ber diesen hinaus nehmen, was auch die schreiende Weiber- und Kinderbev?lkerung des Plebejer-Fuhrwerks offenbar zu bef��rchten scheint. Der schnell dahinschie?ende Fiaker, zum ersten Male seiner Natur ungetreu, berechnet ingrimmig den Verlust, auf einem Wege drei Stunden zubringen zu m��ssen, den er sonst in f��nf Minuten durchflog. Zank, Geschrei, wechselseitige Ehrenangriffe der Kutscher, mitunter ein Peitschenhieb.
Endlich, wie denn in dieser Welt jedes noch so hartn?ckige Stehenbleiben doch nur ein unvermerktes Weiterr��cken ist, erscheint auch diesem status quo ein Hoffnungsstrahl. Die ersten B?ume des Augartens und der Brigittenau werden sichtbar. Land! Land! Land!
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