Fieber und lag wachend und sinnend, bis endlich eine Stunde nach
Mitternacht der Mond unterging, und die Ermüdung über seine tausend
wogenden Gedanken Herr wurde.
Eine Dämmerung war um Filippo, als ihn der Schlaf verließ; doch als
er seine Sinne völlig ermuntert und sich vom Bett aufgerichtet hatte,
ward er wohl inne, daß es nicht ein Zwielicht wie vor Sonnenaufgang
war. Von einer Seite her traf ihn ein schwacher Sonnenstrahl und bald
sah er, daß die Mauerlücke, die er vor dem Einschlafen offengelassen,
dennoch fest mit Gestrüpp verstopft worden war. Er stieß es hinaus,
und die volle Morgensonne blendete ihn. Im höchsten Zorn auf die
Contrabbandieri, seinen Schlaf und vor allem auf das Mädchen, dem er
diese Hinterlist zuschreiben mußte, ging er augenblicklich nach der Tür,
deren Riegel jetzt einem besonnenen Druck leicht nachgab, und trat in
das Nebengemach.
Er traf Fenice allein, gelassen am Herde sitzend, als habe sie ihn längst
erwartet. Aus ihrem Gesicht war jede Spur der gestrigen Stürme
verschwunden, ja sogar keine Regung der Trauer und kein Zug einer
gewaltsamen Fassung begegnete seinem finstern Auge.
"Du hast es veranstaltet, daß ich die Stunde verschlafen mußte",
herrschte er sie an.
"Ja", sagte sie gleichgültig. "Ihr waret müde. Ihr kommt immer noch
früh genug nach Pistoja, wenn Ihr am Nachmittag erst den Mördern
begegnen müßt."
"Ich hatte dich nicht geheißen, um meine Müdigkeit besorgt zu sein.
Drängst du dich noch immer an mich an? Es soll dir nichts helfen,
Mädchen. Wo sind meine Leute?"
"Fort."
"Fort? willst du mich narren? Wo sind sie? Törin, als ob sie fortgingen,
ehe ich sie bezahlt habe!" Und er schritt rasch auf die Tür zu, um
hinauszugehn.
Fenice blieb unbeweglich sitzen und sagte in demselben harmlosen Ton:
"Ich habe sie bezahlt. Ich sagte ihnen, daß Ihr Schlaf brauchtet und
dann, daß ich selbst Euch hinunterbegleiten würde; denn der
Weinvorrat ist zu Ende und ich muß neuen kaufen, eine Stunde vor
Pistoja."
Der Zorn verwehrte ihm einen Augenblick zu sprechen. "Nein", brach
er endlich heraus, "mit dir nicht, mit dir nimmermehr! Heimtückische
Schlange! Es ist lächerlich, daß du noch immer denkst, mit deinen
glatten Windungen mich umstricken zu können. Nun sind wir völliger
geschieden als je. Ich verachte dich, daß du mich für blöde und
armselig genug hältst, mit diesen kleinen Künsten es mir abgewinnen
zu können. Mit dir geh ich nicht! Gib mir einen deiner Knechte mit und
da--mache dich bezahlt für deine Auslagen an die Contrabbandieri."
Er warf ihr eine Börse hin und öffnete die Tür, selbst jemand zu suchen,
der ihn hinunterführte. "Macht Euch keine Mühe", sagte sie, "Ihr findet
von den Knechten keinen, sie sind alle in die Berge. Auch sonst ist in
Treppi niemand, der Euch dienen könnte. Arme gebrechliche
Mütterchen, Greise und Kinder, die noch gehütet werden. Wenn Ihr mir
nicht glaubt--seht nach!"
"Und überhaupt", fuhr sie fort, als er unentschlossen in Grimm und
Ärger auf der Schwelle stand und ihr den Rücken zugekehrt hatte,
"warum dünkt es Euch so unmöglich und gefährlich, wenn ich Euch
führe? Ich habe die Nacht Träume gehabt, aus denen ich sehe, daß Ihr
nicht für mich seid. Es ist wahr, ich habe Euch noch immer ein wenig
gern und es wird mir Freude machen, noch ein paar Stunden mit Euch
zu plaudern. Muß ich Euch darum nachstellen? Ihr seid frei, von mir zu
gehn auf immer, wohin Ihr wollt, in den Tod oder ins Leben. Nur, daß
ich es so eingerichtet habe, daß ich noch eine Strecke neben Euch
hergehe. Ich will Euch zuschwören, wenn Euch das beruhigen kann,
daß es nur eine Strecke sein wird, beileibe nicht bis Pistoja. Nur so
lange, bis Ihr den rechten Weg habt. Denn wenn Ihr auf Eure eigne
Hand fortginget, verstieget Ihr Euch bald, daß Ihr weder vor noch
zurück könntet. Ihr müßt das ja noch wissen von Eurer ersten Reise
durch die Berge."
"Pest!" murmelte er und biß sich die Lippen. Er sah indes, wie die
Sonne stieg, und alles wohl erwogen,--was hatte er im Grunde
Ernstliches zu besorgen? Das Ernstlichste wollte er sich nicht gestehen.
Er wandte sich zu ihr um und glaubte von dem gleichmütigen Blick
ihrer großen Augen Zeugnis annehmen zu dürfen, daß keinerlei Falsch
hinter ihren Worten sei. Sie schien ihm wirklich seit gestern eine ganz
andere geworden zu sein, und fast mischte sich ein Gefühl von
Unzufriedenheit in sein Staunen, da er sich sagen mußte, daß der
gestrige Anfall von schmerzlicher Leidenschaft so bald und spurlos
vorübergegangen sei. Er sah sie länger an, aber sie gab schlechterdings
zu keinem Argwohn Anlaß.
"Wenn du denn so vernünftig geworden bist", sagte er jetzt trocken, "so
mag es sein, so komm!"
Ohne eine sonderliche Äußerung der Freude stand sie auf und sagte:
"Wir wollen erst essen; auf Stunden finden wir nichts." Sie stellte ihm
eine Schüssel hin und einen Krug und aß dann

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