Das Kaethchen von Heilbronn | Page 5

Heinrich von Kleist
Otto. Nun? Und hierauf?
Wenzel. Der Alte holte die Jungfrau nicht ab?
Der Graf vom Strahl. Drauf, da er am zwanzigsten Tage, um sie abzuholen, bei mir erscheint, und ich ihn in meiner V?ter Saal führe: erschau ich mit Befremden, da? er, beim Eintritt in die Tür, die Hand in den Weihkessel steckt, und mich mit dem Wasser, das darin befindlich ist, besprengt. Ich arglos, wie ich von Natur bin, n?tge ihn auf einen Stuhl nieder; erz?hle ihm, mit Offenherzigkeit, alles, was vorgefallen; er?ffne ihm auch, in meiner Teilnahme, die Mittel, wie er die Sache, seinen Wünschen gem??, wieder ins Geleis rücken k?nne; und tr?ste ihn und führ ihn, um ihm das M?dchen zu übergeben, in den Stall hinunter, wo sie steht, und mir eine Waffe von Rost s?ubert. So wie er in die Tür tritt, und die Arme mit tr?nenvollen Augen ?ffnet, sie zu empfangen, stürzt mir das M?dchen leichenbleich zu Fü?en, alle Heiligen anrufend, da? ich sie vor ihm schütze. Gleich einer Salzs?ule steht er, bei diesem Anblick, da; und ehe ich mich noch gefa?t habe, spricht er schon, das entsetzensvolle Antlitz auf mich gerichtet: das ist der leibhaftige Satan! und schmei?t mir den Hut, den er in der Hand h?lt, ins Gesicht, als wollt er ein Greuelbild verschwinden machen, und l?uft, als setzte die ganze H?lle ihm nach, nach Heilbronn zurück.
Graf Otto. Du wunderlicher Alter! Was hast du für Einbildungen?
Wenzel. Was war in dem Verfahren des Ritters, das Tadel verdient? Kann er dafür, wenn sich das Herz deines t?richten M?dchens ihm zuwendet?
Hans. Was ist in diesem ganzen Vorfall, das ihn anklagt?
Theobald. Was ihn anklagt? O du--Mensch, entsetzlicher, als Worte fassen, und der Gedanke ermi?t: stehst du nicht rein da, als h?tten die Cherubim sich entkleidet, und ihren Glanz dir, funkelnd wie Mailicht, um die Seele gelegt!--Mu?t ich vor dem Menschen nicht erbeben, der die Natur, in dem reinsten Herzen, das je geschaffen ward, dergestalt umgekehrt hat, da? sie vor dem Vater, zu ihr gekommen, seiner Liebe Brust ihren Lippen zu reichen, kreidewei?en Antlitzes entweicht, wie vor dem Wolfe, der sie zerrei?en will? Nun denn, so walte, Hekate, Fürstin des Zaubers, moorduftige K?nigin der Nacht! Spro?t, ihr d?monischen Kr?fte, die die menschliche Satzung sonst auszuj?ten bemüht war, blüht auf, unter dem Atem der Hexen, und scho?t zu W?ldern empor, da? die Wipfel sich zerschlagen, und die Pflanze des Himmels, die am Boden keimt, verwese; rinnt, ihr S?fte der H?lle, tr?pfelnd aus St?mmen und Stielen gezogen, fallt, wie ein Katarakt, ins Land, da? der erstickende Pestqualm zu den Wolken empordampft; flie?t und ergie?t euch durch alle R?hren des Lebens, und schwemmt, in allgemeiner Sündflut, Unschuld und Tugend hinweg!
Graf Otto. Hat er ihr Gift eingefl??t?
Wenzel. Meinst du, da? er ihr verzauberte Tr?nke gereicht?
Hans. Opiate, die des Menschen Herz, der sie genie?t, mit geheimnisvoller Gewalt umstricken?
Theobald. Gift? Opiate? Ihr hohen Herren, was fragt ihr mich? Ich habe die Flaschen nicht gepfropft, von welchen er ihr, an der Wand des Felsens, zur Erfrischung reichte; ich stand nicht dabei, als sie in der Herberge, Nacht für Nacht, in seinen St?llen schlief. Wie soll ich wissen, ob er ihr Gift eingefl??t? habt neun Monate Geduld; alsdann sollt ihr sehen, wies ihrem jungen Leibe bekommen ist.
Der Graf vom Strahl. Der alte Esel, der! Dem entgegn' ich nichts, als meinen Namen! Ruft sie herein; und wenn sie ein Wort sagt, auch nur von fern duftend, wie diese Gedanken, so nennt mich den Grafen von der stinkenden Pfütze, oder wie es sonst eurem gerechten Unwillen beliebt.

Zweiter Auftritt
K?thchen mit verbundenen Augen, geführt von zwei H?schern.--Die H?scher nehmen ihr das Tuch ab, und gehen wieder fort.--Die Vorigen.
K?thchen (sieht sich in der Versammlung um, und beugt, da sie den Grafen erblickt, ein Knie vor ihm). Mein hoher Herr!
Der Graf vom Strahl. Was willst du?
K?thchen. Vor meinen Richter hat man mich gerufen.
Der Graf vom Strahl. Dein Richter bin nicht ich. Steh auf, dort sitzt er; Hier steh ich, ein Verklagter, so wie du.
K?thchen. Mein hoher Herr! Du spottest.
Der Graf vom Strahl. Nein! Du h?rst! Was neigst du mir dein Angesicht in Staub? Ein Zaubrer bin ich, und gestand es schon Und la?, aus jedem Band, das ich dir wirkte, Jetzt deine junge Seele los. (Er erhebt sie.)
Graf Otto. Hier Jungfrau, wenns beliebt; hier ist die Schranke!
Hans. Hier sitzen deine Richter!
K?thchen (sieht sich um). Ihr versucht mich.
Wenzel. Hier tritt heran! Hier sollst du Rede stehn.
K?thchen (stellt sich neben den Grafen vom Strahl, und sieht die Richter an).
Graf Otto. Nun?
Wenzel. Wirds?
Hans. Wirst du gef?llig dich bemühn?
Graf Otto. Wirst dem Gebot dich deiner Richter fügen?
K?thchen (für sich). Sie rufen mich
Wenzel. Nun, ja!
Hans. Was sagte sie?
Graf Otto (befremdet). Ihr Herrn, was fehlt dem sonderbaren Wesen?
(Sie sehen sich an.)
K?thchen (für sich). Vermummt von Kopf zu Fü?en sitzen sie, Wie das Gericht, am jüngsten Tage, da!
Der Graf vom Strahl (sie aufweckend). Du wunderliche Maid! Was tr?umst, was treibst du?
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 34
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.