Das Kaethchen von Heilbronn | Page 7

Heinrich von Kleist
sicher des,
was darin wohnt.
Der Graf vom Strahl. Was ists, mit einem Wort, mir rund gesagt, Das
dich aus deines Vaters Hause trieb? Was fesselt dich an meine Schritte
an?
Käthchen. Mein hoher Herr! Da fragst du mich zuviel. Und läg ich so,
wie ich vor dir jetzt liege, Vor meinem eigenen Bewußtsein da: Auf
einem goldnen Richtstuhl laß es thronen, Und alle Schrecken des
Gewissens ihm, In Flammenrüstungen, zur Seite stehn; So spräche
jeglicher Gedanke noch, Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht.
Der Graf vom Strahl. Du lügst mir, Jungfrau? Willst mein Wissen
täuschen? Mir, der doch das Gefühl dir ganz umstrickt; Mir, dessen
Blick du da liegst, wie die Rose, Die ihren jungen Kelch dem Licht
erschloß?--Was hab ich dir einmal, du weißt, getan? Was ist an Leib
und Seel dir widerfahren?
Käthchen. Wo?
Der Graf vom Strahl. Da oder dort.
Käthchen. Wann?
Der Graf vom Strahl. Jüngst oder früherhin.
Käthchen. Hilf mir, mein hoher Herr.
Der Graf vom Strahl. Ja, ich dir helfen, Du wunderliches Ding.--(Er

hält inne.)
Besinnst du dich auf nichts?
Käthchen (sieht vor sich nieder).
Der Graf vom Strahl. Was für ein Ort, wo du mich je gesehen, Ist dir
im Geist, vor andern, gegenwärtig.
Käthchen. Der Rhein ist mir vor allen gegenwärtig.
Der Graf vom Strahl. Ganz recht. Da eben wars. Das wollt ich wissen.
Der Felsen am Gestad des Rheins, wo wir Zusammen ruhten, in der
Mittagshitze. - Und du gedenkst nicht, was dir da geschehn?
Käthchen. Nein, mein verehrter Herr.
Der Graf vom Strahl. Nicht? Nicht? - Was reicht ich deiner Lippe zur
Erfrischung?
Käthchen. Du sandtest, weil ich deines Weins verschmähte, Den
Gottschalk, deinen treuen Knecht, und ließest Ihn einen Trunk mir, aus
der Grotte schöpfen.
Der Graf vom Strahl. Ich aber nahm dich bei der Hand, und reichte
Sonst deiner Lippe--nicht? Was stockst du da?
Käthchen. Wann?
Der Graf vom Strahl. Eben damals.
Käthchen. Nein, mein hoher Herr.
Der Graf vom Strahl. Jedoch nachher.
Käthchen. In Straßburg?
Der Graf vom Strahl. Oder früher.
Käthchen. Du hast mich niemals bei der Hand genommen.
Der Graf vom Strahl. Kathrina!
Käthchen (errötend). Ach vergib mir; in Heilbronn!
Der Graf vom Strahl. Wann?
Käthchen. Als der Vater dir am Harnisch wirkte.
Der Graf vom Strahl. Und sonst nicht?
Käthchen. Nein, mein hoher Herr.
Der Graf vom Strahl. Kathrina!
Käthchen. Mich bei der Hand?
Der Graf vom Strahl. Ja, oder sonst, was weiß ich.
Käthchen (besinnt sich). In Straßburg einst, erinnr' ich mich, beim
Kinn.
Der Graf vom Strahl. Wann?
Käthchen. Als ich auf der Schwelle saß und weinte, Und dir auf was du

sprachst, nicht Rede stand.
Der Graf vom Strahl. Warum nicht standst du Red?
Käthchen. Ich schämte mich.
Der Graf vom Strahl. Du schämtest dich? Ganz recht. Auf meinen
Antrag. Du wardst glutrot bis an den Hals hinab. Welch einen Antrag
macht ich dir?
Käthchen. Der Vater, Der würd, sprachst du, daheim im Schwabenland,
Um mich sich härmen, und befragtest mich, Ob ich mit Pferden, die du
senden wolltest, Nicht nach Heilbronn zu ihm zurück begehrte?
Der Graf vom Strahl (kalt). Davon ist nicht die Rede!--Nun, wo auch,
Wo hab ich sonst im Leben dich getroffen? - Ich hab im Stall zuweilen
dich besucht.
Käthchen. Nein, mein verehrter Herr.
Der Graf vom Strahl. Nicht? Katharina!
Käthchen. Du hast mich niemals in dem Stall besucht, Und noch viel
wen'ger rührtest du mich an.
Der Graf vom Strahl. Was? Niemals?
Käthchen. Nein, mein hoher Herr.
Der Graf vom Strahl. Kathrina!
Käthchen (mit Affekt). Niemals, mein hochverehrter Herr, niemals.
Der Graf vom Strahl. Nun seht, bei meiner Treu, die Lügnerin!
Käthchen. Ich will nicht selig sein, ich will verderben, Wenn du mich
je--!
Der Graf vom Strahl (mit dem Schein der Heftigkeit.)
Da schwört sie und verflucht Sich, die leichtfertge Dirne, noch und
meint, Gott werd es ihrem jungen Blut vergeben! - Was ist geschehn,
fünf Tag von hier, am Abend, In meinem Stall, als es schon dunkelte,
Und ich den Gottschalk hieß, sich zu entfernen?
Käthchen. O! Jesus! Ich bedacht es nicht!--Im Stall zu Strahl, da hast
du mich besucht.
Der Graf vom Strahl. Nun denn! Da ists heraus? Da hat sie nun Der
Seelen Seligkeit sich weggeschworen! Im Stall zu Strahl, da hab ich sie
besucht!
(Käthchen weint.) (Pause.)
Graf Otto. Ihr quält das Kind zu sehr.
Theobald (nähert sich ihr gerührt). Komm, meine Tochter.
(Er will sie an seine Brust heben.)

Käthchen. Laß, laß!
Wenzel. Das nenn ich menschlich nicht verfahren.
Graf Otto. Zuletzt ist nichts im Stall zu Strahl geschehen.
Der Graf vom Strahl (sieht sie an). Bei Gott, ihr Herrn, wenn ihr des
Glaubens seid: Ich bins! Befehlt, so gehn wir aus einander.
Graf Otto. Ihr sollt das Kind befragen, ist die Meinung, Nicht mit
barbarischem Triumph verhöhnen. Seis, daß Natur Euch solche Macht
verliehen: Geübt wie Ihrs
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