Rede sein wird, w?re wohl denkbar, ist aber für jetzt in gr?sserem Massstabe unausführbar, teils wegen der allgemeinen Abneigung gegen denselben, teils wegen der Schw?che der menschlichen Natur, welche durch lange Jahre des Egoismus und Individualismus für Ertragung derartiger Idealzust?nde unf?hig geworden ist. Ein solcher Zustand würde erst m?glich sein am Ende einer langj?hrigen Erziehung des menschlichen Geistes im Sinne des Altruismus und Kollektivismus oder der allgemeinen Bruder- und Menschenliebe.
Es bleibt sonach nichts übrig, als Ausschau nach andern Mitteln oder Hilfen zu halten. Hier wird uns denn wieder der richtige Fingerzeig gegeben durch die =Naturwissenschaft=, welche heutzutage bestimmt sein dürfte, nicht bloss die =geistige=, sondern auch die =soziale= Befreiung der Menschheit zu bewirken.
Ich komme dabei zurück auf den von dieser Wissenschaft in das rechte Licht gesetzten =Kampf um das Dasein=, welcher leider unter den gegenw?rtigen gesellschaftlichen Verh?ltnissen noch ganz den Charakter des rohen Daseinskampfes der Natur tr?gt, nur mit dem Unterschied, dass er =hier= mit mehr oder weniger =gleichen=, dort mit sehr =ungleichen= Mitteln gek?mpft wird.
Da lautet denn das erl?sende Losungswort: =Ersetzung der Naturmacht durch die Vernunftmacht=, d. h. m?glichste Ausgleichung der Mittel und Umst?nde, unter denen und mit denen gek?mpft wird. An die Stelle des Einzelkampfes um das Dasein muss ein gemeinsamer Kampf aller =für= das Dasein treten. Mit ?ndern Worten: die Stelle des rohen Naturkampfes muss ein gemeinschaftlicher, durch Vernunft und Gerechtigkeit geregelter sozialer Kampf um die Lebensbedingungen ersetzen.
Der Kampf, wie er unter den jetzigen sozialen Verh?ltnissen geführt wird, verdient den Namen eines eigentlichen Kampfes, eines Wettbewerbs mit gleichen Mitteln weit weniger, als denjenigen einer gesetzlich geregelten =Unterdrückung=. Oder wie w?re anders der Kampf eines Menschen zu bezeichnen, den man, allenfalls mit einem h?lzernen S?bel bewaffnet, gegen Flinten und Kanonen schicken wollte Oder der Wettlauf eines Menschen mit blossen Füssen mit einem andern, der Pferde oder Eisenbahnen zur Verfügung h?tte! Oder wie w?re anders der Wettbewerb zwischen zwei Menschen zu bezeichnen, von denen der eine alle Vorteile von Rang, Reichtum, Erziehung, Bildung, sozialer Stellung u. s. w. für sich h?tte, w?hrend der andre über nichts verfügte, als über die Kraft seiner nackten Arme und seines ungebildeten Verstandes!
Der Ausgang eines solchen Kampfes oder Wettbewerbs ist zum voraus entschieden. In der Regel ist das Schicksal des einzelnen Menschen schon in seiner Geburt besiegelt und das gesellschaftliche Sklaventum desjenigen, dessen Wiege in der Hütte eines armen Mannes gestanden hat, mit seinem ersten Atemzuge entschieden. ?Die Fesseln einer niederen Geburt?, sagt J. C. =Fischer=[1] ?schleppen wir durch das ganze Leben, und an ihnen zerschellt oft die unerh?rteste Anstrengung eines ganzen Lebens.?
Zwar wird man entgegnen, dass man sehr eklatante Ausnahmen von dieser Regel kennt. Man wird z. B. an den vor kurzem gestorbenen Amerikaner =Jay Gould= erinnern, der als armer Hirtenjunge in Amerika einwanderte und als beispielloser Million?r starb. Diese Ausnahmen oder Glücksf?lle k?nnen und sollen nicht geleugnet werden; aber sie sind eben nur überaus seltene Ausnahmen, welche die Regel nicht umstürzen. In der Regel erhalten sich Rang und Reichtum bei einzelnen Familien oder St?nden oder Gesellschaftsschichten für unbestimmt lange Zeiten.
Glücklicherweise fehlt den unterdrückten Klassen der Gesellschaft das volle Bewusstsein oder die volle Empfindung ihrer Lage. Die Macht der Gewohnheit stumpft ihr Gefühl dafür ab und l?sst sie dasjenige, was doch nur Menschenwerk ist, als eine unvermeidliche Fügung des Schicksals betrachten. Wenn dies nicht so w?re, würden wir schon l?ngst jene soziale Revolution haben, welche fortw?hrend angekündigt wird, aber dennoch nicht kommen will. Auch hat es die Natur weise so eingerichtet, dass das Glück mehr im Charakter und Temperament des Einzelnen, als in den ?usseren Lebensumst?nden liegt. Wer ein glücklich angelegtes Temperament hat, wird sich in jeder Lebenslage mehr oder weniger wohl fühlen, w?hrend ein Melancholiker oder ein zu ?ngstlichkeit und Trübsinn geneigter Mensch durch keine Glücksumst?nde froh oder zufrieden gemacht werden kann.
Trotzdem zeigen die bereits angeführten Umst?nde und Erscheinungen deutlich, dass sich die Gesellschaft im grossen und ganzen in hohem Grade unwohl fühlt und einer kommenden Umw?lzung entgegensteuert. Die erschreckende Ausbreitung der Sozialdemokratie w?re unbegreiflich, wenn nicht das Bewusstsein ihrer gedrückten Lage in den unteren Schichten der bürgerlichen Gesellschaft in fortw?hrendem Zunehmen begriffen w?re. ?Thatsache ist?, sagt F. A. =Lange= in seiner vortrefflichen Schrift über die Arbeiterfrage[2], ?dass der Kampf um das Dasein gerade jetzt wieder in der m?chtigsten und entscheidendsten Schicht der Nation in seiner ganzen ermattenden Schwere empfunden wird, und dass die Geister beginnen, der Einf?rmigkeit dieses Druckes überdrüssig zu werden.?
Eine ?nderung dieses trüben Zustandes ist, wie gesagt, nur m?glich durch eine gr?ssere Ausgleichung in den Mitteln, womit jeder einzelne seinen Kampf um das Dasein k?mpft -- eine Ausgleichung, welche sich vor allen Dingen auf die Besitzes-Verh?ltnisse zu erstrecken hat. Ferner durch die Umwandlung des Einzelkampfes in eben gemeinschaftlichen, solidarisch verbundenen Kampf aller gegen die übel des Lebens, welche da sind Hunger, K?lte, Elend, Entbehrung, Krankheit, Alter, Unfall, Invalidit?t und Tod, oder durch Herbeiführung eines Zustandes, in welchem das Wohl
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