ZU DIESEM BUCH
Wir trafen die damals 15jähri-
ge Christiane F. zu Beginn des
Jahres 1978 in Berlin, wo sie
als Zeugin in einem Prozeß
aussagen mußte. Wir verabre-
deten uns mit ihr zu einem
Interview, das Recherchen
über die Situation der Jugend-
lichen vervollständigen sollte.
Vorgesehen waren zwei Stun-
den für das Gespräch. Aus
den zwei Stunden wurden
zwei Monate. Wir waren bald
nicht mehr in der Rolle des
Interviewers, sondern des be-
troffenen Zuhörers. Aus den
Tonbandprotokollen der Ge-
spräche entstand dieses
Buch. Wir meinten, daß die
Geschichte von Christiane
mehr über die Situation eines
großen Teils der Jugendlichen
aussagt, als es ein noch so
sorgfältig recherchierter Be-
richt könnte. Christiane F.
wollte dieses Buch, weil sie
wie fast alle Fixer das Verlan-
gen hat, das verschämte
Schweigen über die Drogen-
sucht von Heranwachsenden
zu brechen. Alle Überleben-
den aus ihrer Fixer-Clique und
die Eltern unterstützten das
Projekt. Sie waren bereit, mit
ihren Fotos und Namen zum
dokumentarischen Charakter
des Buches beizutragen. Mit
Rücksicht auf die Familien ha-
ben wir nur die Vornamen
ausgeschrieben. Eingefügte
Protokolle der Mutter und
Kontaktpersonen Christianes
sollen andere Perspektiven
vermitteln und zur Analyse
des Problems Heroinsucht
beitragen.
Kai Hermann, Horst Rieck
Kai Hermann, geboren 1938, war Redakteur bei »Die Zeit«,
»Spiegel«, »Twen« und »Stern« und lebt heute als freier
Journalist in Landsatz, Kreis Lüchow-Dannenberg. Buchveröf-
fentlichungen u. a.: »Die Revolte der Studenten«, »Entschei-
dung in Mogadischu«. Auszeichnungen: Theodor-Wolff-Preis,
Carl-v.-Ossietzky-Medaille.
Horst Rieck, geboren 1941, lebt als freier Autor in West-Berlin.
Als Mitarbeiter u. a. von »Stern« und »Die Zeit« beschäftigte er
sich vorwiegend mit Problemen der Jugend.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Horst-Eberhard Richter, geboren 1923,
war von 1952 bis 1962 leitender Arzt der »Beratungs- und
Forschungsstelle für seelische Störungen im Kindesalter« in
Berlin und ist seit 1962 Direktor der Psychosomatischen Univer-
sitätsklinik in Gießen. Buchveröffentlichungen u. a.: »Patient
Familie«, »Eltern, Kind und Neurose«, »Die Gruppe«.
Christiane F.
Wir Kinder
vom Bahnhof Zoo
Nach Tonbandprotokollen aufgeschrieben
von Kai Hermann und Horst Rieck
Scanned by Doc Gonzo
Mit einem Vorwort von Horst E. Richter
Bildnachweis:
Eva Kroth: Seiten 168/169,174/175, 178/179, 180/181, 182/183,
188/189, 192, Rückseite
Jürgen Müller-Schneck: Titel, Seiten 161, 163, 170/171, 172/173,
176/177, 184/185, 190/191
Peter Rondholz: Seiten 186/187
Lizenzausgabe mit Genehmigung des Stern-Magazins
im Verlag Grüner + Jahr AG & Co., Hamburg
für die Europäische Bildungsgemeinschaft Verlags-GmbH, Stuttgart
die Berteismann Club GmbH, Gütersloh
und für die Buchgemeinschaft Donauland Kremayr & Scheriau, Wien
Diese Lizenz gilt auch für die Deutsche Buch-Gemeinschaft
C. A. Koch's Verlag Nachf., Berlin • Darmstadt • Wien
© Copyright/Stern-Magazin im Verlag Grüner + Jahr AG & Co., Hamburg
Gesamtherstellung Mohndruck Graphische Betriebe GmbH, Gütersloh
Printed in Germany • Bestellnummer: 02346 5
VORWORT
Was dieses Buch an Enthüllungen über ein vom öffentlichen
Bewußtsein verdrängtes Elend innerhalb unserer Gesellschaft
liefert, erscheint mir wichtiger als zahlreiche einschlägige
Analysen sozialwissenschaftlicher Experten. Dieses einzig-
artige Dokument wird hoffentlich vielen endlich begreiflich
machen, daß jugendliche Drogensucht — wie der sich rasch
ausbreitende Jugend-Alkoholismus und der Zustrom zu den
Jugendsekten - nicht von außen gemacht wird, sondern mitten
aus unserer Gesellschaft heraus entsteht. In unseren Familien,
in unseren Schulen, in den jedermann zugänglichen Diskothe-
ken entspringt, was die meisten immer noch für eine einge-
schleppte exotische Seuche halten. Und der Bericht, den das
Mädchen Christiane mit Hilfe von Kai Hermann und Horst
Rieck angefertigt hat, lehrt ein weiteres: Es sind nicht die
Tollheiten einer Sonderkategorie primär abartiger Kinder und
Jugendlicher, die zum Heroin führen, sondern eine Vielzahl
miteinander verzahnter Probleme von inhumanem Wohnen,
Unterdrückung der kindlichen Spielwelt, Krisen in den Zwei-
erbeziehungen der Eltern, allgemeine Entfremdung und Isola-
tion innerhalb der Familie wie in der Schule, usw. So mancher
wird, wenn er dieses Buch zu Ende gelesen hat, ernstlich und
mit Recht zweifeln, wen er letztlich als menschlicher empfin-
det, die verwahrloste kriminelle Fixerin Christiane oder
diejenigen aus ihrer Umgebung, welche die sogenannte an-
ständige, die »normale« Gesellschaft repräsentieren.
Seit dem Abklingen der antiautoritären Jugendrebellion wie-
gen sich die meisten in der Illusion, wir hätten es nunmehr -
abgesehen von den Terroristen und deren Gefolge - mit einer
konfliktfrei gesellschaftlich integrierten Jugend zu tun. Diese
Einbildung ist das Produkt einer hartnäckigen Verdrängung.
Die Anfang der siebziger Jahre endlich erfahrene Entlastung
von den täglichen schmerzhaften Herausforderungen der
aktionistischen Protestjugend verführte dazu, die neuen leise-
ren und äußerlich unauffälligen Verweigerungsformen be-
trächtlicher Teile der jungen Generation zu bagatellisieren
oder vollständig zu übersehen. Froh, daß der permanente
Krach in den Familien, Schulen, Universitäten und auf den
Plätzen der zahlreichen Demonstrationen abgeebbt war,
mochte
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