Charaktere und Schicksale | Page 9

Hermann Heiberg
entfernte sich.
Ileisa aber sagte, nachdem die alte Dame gegangen war:
"Meine Tante ist etwas empfindlich, Herr Knoop. Sehen Sie es ihr, ich bitte, nach. Sie lebte fr��her in so reichlichen Verh?ltnissen, da? ihr die Einf��gung in andere, leider jetzt sehr beschr?nkte, au?erordentlich schwer wird. Im Grunde ist sie eine vornehme, wahrhaft edeldenkende Natur."
"Habe ich auch so aufgefa?t!" best?tigte Herr Knoop in einem derb gem��tlichen Ton, und von Ileisas Wesen angenehm ber��hrt. Auch bat er sie dann gleich, mit ihm in die Wohnung zu treten, und machte sie dort mit seinen Damen bekannt.
* * * * *
Sechs Monate waren vergangen. Fr?ulein von Oderkranz befand sich als Gesellschafterin im Knoopschen Hause. Aber auch Herr von Klamm war ein Mitglied des Knoopschen Gesch?ftes geworden. Er schrieb Zeitungsartikel, f��r die er die F?higkeit in sich f��hlte, und ��bte nach anderer Richtung eine Th?tigkeit au, die dem Unternehmen nutzbringend war.--Der Kontrakt, der zwischen ihm und Herrn Knoop abgeschlossen, besa? nur zwei Paragraphen:
"Herr von Klamm tritt vom heutigen Tage mit einem Monatsgehalt von 450 Mark und unter gegenseitiger viertelj?hrlicher K��ndigung zun?chst probeweise in das Gesch?ft des Herrn Friedrich Knoop in Berlin, ein.
Genannter ��bernimmt fortan einen zwischen ihnen festgestellten Teil der Theater-, Konzert- und Kunstkritiken, und wird eventuell auch unter der Zustimmung des Herrn Chefredakteurs, Doktor Strantz, andere in den Rahmen der T?glichen Nachrichten passende Beitr?ge liefern.
Zur Vorbereitung einer gleichzeitig in Aussicht genommenen gesch?ftlichen Th?tigkeit wird sich Herr von Klamm mit den ��brigen Zweigen des Unternehmens bekannt machen und schon jetzt bem��ht sein, der Firma Verbindungen zuzuf��hren."
Au?erordentlich ��berrascht war Herr Knoop von dem Ideenreichtum seines Mitarbeiters, nachdem sich dieser in das Gesch?ft eingearbeitet hatte. Bald regte er an, da? man sich um eine Druckarbeit in den Ministerien, bald um eine solche bei gro?en Instituten und angesehenen Gesch?ften bewerbe. Auch wies er auf ausw?rtige Firmen hin, denen man feste Kontrakte bez��glich der Aufnahme von st?ndigen Inseraten f��r die T?glichen Nachrichten anbieten solle.
Wenn irgendwo ein neues Unternehmen ins Leben trat, sann er sofort dar��ber nach, ob dieses nicht irgend einen von der Druckerei zu befriedigenden Bedarf haben k?nne. Auch trieb er die Redaktion an, F��hlung mit den bedeutenden Tagespers?nlichkeiten zu suchen, um durch eine Verbindung mit ihnen den T?glichen Nachrichten fortdauernd interessanten Stoff zuzuf��hren.
Arbeitskraft und unerm��dliche Regsamkeit reichten sich die Hand. Er war gegenw?rtig die Triebfeder im Gesch?ft. Bald hier, bald dort hielt er R��cksprache, und immer wu?te er bisher die ihm weniger Wohlgesinnten durch sein gewandtes Wesen gef��giger zu machen.
Weniger ihm Wohlgesinnte waren bereits recht viele vorhanden.
Teils wirkte der Aerger, da? ein bisher so gering Eingeweihter und Erfahrener so T��chtiges leistete, bald machte sich ein sehr starker Neid geltend.
Es stieg die unruhige Bef��rchtung in dem Personal auf, da? Klamm bald da sitzen oder dort ein anderer sitzen werde, wo der Betreffende selbst bisher sein unbeschr?nktes Herrschertum ausge��bt hatte. Der Chefredakteur, Doktor Strantz, sowie der erste Disponent im Hauptkontor und der Gesch?ftsf��hrer in der Expeditionsabteilung waren schon, ohne da? sie noch die Maske gel��stet hatten, seine erkl?rten Gegner.
Immer wieder regte sich bei ihnen die Ueberlegung, wie es eigentlich m?glich sei, da? ein fr��herer Offizier, da? dieses in der Welt hin und her verschlagene Mitglied der Gesellschaft, da? dieser mit gesch?ftlichen Dingen doch bisher nur sehr oberfl?chlich vertraute Lebemann eine solche intelligente Regsamkeit, solche Umsicht, und ��berdies eine solche Gleichg��ltigkeit gegen seine bisherigen gesellschaftlichen Beziehungen zum Ausdruck brachte.
Aber sie zogen aus diesen Umst?nden nicht den Schlu?, da? es eben Ausnahmen giebt, da? t��chtige Menschen sich energisch aufzuraffen verm?gen, da? sie das kr?ftig abthun, was sich ihnen nur durch die Verh?ltnisse aufgedr?ngt hat, sondern sie suchten nach irgend einem unlauteren Grunde.
Bei Gelegenheit einer monatlich einmal stattfindenden Zusammenkunft der Redaktions- und Gesch?ftsmitglieder wu?te der Chefredakteur, Doktor Strantz, ein Mann mit einem ungew?hnlich hageren Gesicht und langem Vollbart, bereits das Allerneueste zu berichten, da? n?mlich schon ein fester Kontrakt zwischen Herrn Knoop und Klamm zu stande gekommen sei. Demzufolge solle Klamm nicht nur Stellvertreter des Chefs werden, sondern auch die Hauptz��gel in der Redaktion in die Hand bekommen. Ihrer aller Stellung sei gef?hrdet, seitdem dieser Herr in das Gesch?ft eingetreten sei.
In dem Hinterzimmer eines mit alten, guten Bildern geschm��ckten Bierlokals in der Kronenstra?e sa?en sie beisammen, und von kaum etwas anderem wurde geredet, als ��ber Herrn von Klamm.
"Was er wohl sonst treibe?" warf einer der Herren, ein Herr Krammh?ver, nach solchen l?ngeren, stark mi?f?lligen und abf?lligen Aeu?erungen hin.
"Er w?re ihm," bemerkte er, "schon zweimal abends nachgegangen. Da sei er in ein Haus in der Kurf��rstenstra?e eingetreten. Er, Krammh?ver, habe durch die gro?en Spiegelscheiben der Haus- und Hinterth��r beobachtet, da? Klamm in eine Gartenwohnung hinaufgestiegen sei. Ob er aber dort logiere oder eine 'Freundin' besitze, wisse er nicht."
Darauf hatte keiner etwas zu sagen, aber die Rede gefiel. Niemandem war bekannt, wo Klamm wohnte. Ueberhaupt hielt er sich nicht mit Reden, und noch weniger mit Offenherzigkeiten auf. Er kam, griff gleich ein, arbeitete oder machte Besuche,
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