Charaktere und Schicksale

Hermann Heiberg
Charaktere und Schicksale, by
Herrmann Heiberg

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Title: Charaktere und Schicksale
Author: Herrmann Heiberg
Release Date: July 17, 2004 [EBook #12927]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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CHARAKTERE UND SCHICKSALE ***

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Charaktere und Schicksale
Roman von Hermann Heiberg
Berlin 1901

"Du darfst nicht böse werden, wenn ich es sage, lieber Friedrich! Aber
daß du überhaupt auf solche Dinge Wert legst, ist mir bei deinen
sonstigen Anschauungen unverständlich. Du bemühst dich darum,
Kommerzienrat zu werden, und jetzt gerätst du sogar für unsere
Margarete auf ehrgeizige Gedanken. Was sollen wir mit einem
Schwiegersohn aus diesen Kreisen!--Ja, wenn er etwas wäre und
besäße!"
Die Frau, die diese Worte an ihren Mann richtete, war die Gattin des
Buchdruckereibesitzers und Zeitungsinhabers Friedrich Andreas Knoop.
Sie saß ihrem Mann beim ersten Frühstück gegenüber, und schenkte
ihm, während ihrer Rede, nicht nur den Kaffee in seine Tasse ein,
sondern schob ihm auch--umsichtig für ihn besorgt--den Rahmguß und
die Zuckerdose näher.
Während er sich aus beiden bediente, sagte er:
"Du hast recht, und du hast unrecht, Fanny! Vom allgemeinen,
vernünftigen Standpunkt aus betrachtet, verrät ein Hinschielen nach
Orden oder anderen Auszeichnungen keinen besonders erhabenen Geist
Der in sich gefertigte, den tieferen Inhalt der Dinge erfassende Mensch
legt auf solche Aeußerlichkeiten nicht nur keinen Wert, sondern
überläßt das Haschen danach denen, die glauben, daß sie dadurch in der
Welt irgend ein Spürchen mehr werden! Aber es giebt auch einen
anderen Standpunkt! Von diesem aus lächelt man zwar im stillen über
solchen Firlefanz, verschmäht ihn aber nicht, sondern thut etwas zu
seiner Erlangung, weil eben andere ihm eine Bedeutung beilegen.
Daraus erwachsen für den Geschäftsmann in der Welt der
Aeußerlichkeiten mancherlei erhebliche, indirekte und direkte
materielle Vorteile."
"Ich glaube es nicht, Friedrich. Ich glaube, ein Wertlegen auf Titel und
Orden entspringt allezeit einer gewissen Eitelkeit, deren sich ein
wirklich ernsthafter Mann nicht schuldig machen sollte!"
"Na, und wenn's wirklich so wäre,--ist die Befriedigung unsrer Eitelkeit

nicht auch etwas? Woraus besteht unser Dasein? Wir sollen uns
Glücksmomente verschaffen; wir sollen uns zum Ausgleich für die mit
dem Leben verbundenen Unfreundlichkeiten dasjenige für unsere Sinne
herbeiholen, wodurch sie aufgerichtet werden, wodurch wir zu irgend
einer edlen oder angenehmen Gemütserhebung gelangen!"
Auf diese an sich durchaus verständige Betrachtung entgegnete Frau
Knoop nichts; sie warf aber einen freundlichen Blick zu ihrem Manne
hinüber. Wenn sie jemanden in solcher Weise anblickte, empfing das
eine, überhaupt nur eine Thätigkeit ausübende Auge einen etwas
stechenden Ausdruck, und das erloschene andere schien wesentlich
stärker hervorzutreten.
Friedrich Knoop stammte aus der nordischen Landschaft Dithmarschen.
Sein Vater war dort Mühlenbesitzer gewesen, und Frau Fanny war aus
der nordischen Landschaft Schwansen, woselbst sich ihr Vater als
Pastor im Amte befunden hatte.
Knoop hatte sich zufolge großer Energie und Umsicht zu einem sehr
reichen Mann emporgeschwungen, stand im sechzigsten Lebensjahr,
und besaß zwei Kinder: die erwähnte Margarete und einen Sohn, der
zur Zeit in England war, um sich für die einstige Uebernahme des
väterlichen Geschäfts noch weiter auszubilden.
Die Eheleute saßen, während sie sprachen, in einem Salon, der nach
einem Garten führte und sich in einem hinteren Quergebäude befand,
das zu einem mächtigen, in der Hauptstraße befindlichen Karree
gehörte, in dem sich sowohl die Geschäfts- wie auch diese Wohnräume
des Chefs der Firma befanden.
Ihre Unterredung wurde unterbrochen, weil die Tochter des Hauses ins
Frühstückszimmer trat.
Sie ging mit ruhig elastischem Schritt ihren Eltern näher, küßte beide
auf die Wangen und sagte nach einer vorherigen Erkundigung nach
deren Nachtruhe und Befinden:
"Du weißt doch, Papa, daß heute Baron von Klamm kommt, um sich

von dir das Geschäft zeigen zu lassen. Um halb zwölf Uhr hat er sich
angemeldet. Es paßt dir doch?"
"Ja, mein Kind. Ich werde bereit sein.--Sage übrigens einmal, wie
kommt er dazu? Hat er wirklich Interesse für dergleichen, oder hat er
Nebenzwecke?"
Margarete lächelte und entgegnete:
"Das glaube ich allerdings, Papa! Zudem aber ist er, wie mir scheint,
wirklich ein Mann, der für alles Tüchtige Sinn, und an allem Freude hat.
Unter den vielen jungen Leuten ist er in der That der einzige, mit dem
man sich unterhalten kann. Er ist sehr anregend."
"Bitte, verguck' dich nur nicht in einen solchen Adligen, Grete!" fiel
Frau Fanny ein. "Welchen Ausgang kann das haben! Er will doch
schwerlich arbeiten, sondern sich nur von Papa ernähren lassen!"
"Das glaube ich nicht, Mutter!"
"Er ist doch nichts! Was hat er überhaupt bisher getrieben? Wer sind
die Eltern? Wenn es nach mir ginge, würde Papa ihm nicht
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