ist es weder Betrug noch Sünde!«
Casanova lachte laut auf. »Keine Sünde? Warum keine Sünde? Weil
ich ein alter Mann bin?« - »Du bist nicht alt. Für mich kannst du es
niemals werden. In deinen Armen hab' ich meine erste Seligkeit
genossen - und so ist es mir gewiß bestimmt, daß mir mit dir auch
meine letzte zuteil wird!« - »Deine letzte?« wiederholte Casanova
höhnisch, obwohl er nicht ganz ungerührt war, - »dagegen dürfte mein
Freund Olivo wohl mancherlei einzuwenden haben.« - »Das,«
erwiderte Amalia errötend, »das ist Pflicht - meinethalben sogar
Vergnügen; aber Seligkeit ist es doch nicht ... war es niemals.«
Sie gingen die Allee nicht zu Ende, als scheuten beide die Nähe des
Wiesenplatzes, wo Marcolina und die Kinder spielten, - wie auf
Verabredung kehrten sie um und waren bald wieder, schweigend, beim
Wohnhaus angelangt. An der Schmalseite stand ein Fenster des
Erdgeschosses offen. Casanova sah in der dämmernden Tiefe des
Gemachs einen halbgerafften Vorhang, hinter dem das Fußende des
Bettes sichtbar wurde. Über einem Stuhl daneben hing ein lichtes,
schleierartiges Gewand. »Marcolinens Zimmer?« fragte Casanova. -
Amalia nickte. Und zu Casanova anscheinend heiter und wie ohne
jeden Verdacht: »Sie gefällt dir?« - »Da sie schön ist.« - »Schön und
tugendhaft.« - Casanova zuckte die Achseln, als hätte er danach nicht
gefragt. Dann sagte er: »Wenn du mich heute zum erstenmal sähest - ob
ich dir wohl auch gefiele, Amalia?« - »Ich weiß nicht, ob du heute
anders aussiehst als damals. Ich sehe dich - wie du damals warst. Wie
ich dich seither immer, auch in meinen Träumen sah.« - »Sieh mich
doch an, Amalia! Die Runzeln meiner Stirn ... Die Falten meines
Halses! Und die tiefe Rinne da von den Augen den Schläfen zu! Und
hier - ja, hier in der Ecke fehlt mir ein Zahn,« - er riß den Mund
grinsend auf. »Und diese Hände, Amalia! Sieh sie doch an! Finger wie
Krallen ... kleine gelbe Flecken auf den Nägeln ... Und die Adern da -
blau und geschwollen - Greisenhände, Amalia!« - Sie nahm seine
beiden Hände, so wie er sie ihr wies, und im Schatten der Allee küßte
sie eine nach der andern mit Andacht. »Und heute nacht will ich deine
Lippen küssen,« sagte sie in einer demütig zärtlichen Art, die ihn
erbitterte.
Unweit von ihnen, am Ende der Wiese, lag Marcolina im Gras, die
Hände unter den Kopf gestützt, den Blick in die Höhe gewandt, und die
Bälle der Kinder flogen über sie hin. Plötzlich streckte sie den einen
Arm aus und haschte nach einem der Bälle. Sie fing ihn auf, lachte hell,
die Kinder fielen über sie her, sie konnte sich ihrer nicht erwehren, ihre
Locken flogen. Casanova bebte. »Du wirst weder meine Lippen noch
meine Hände küssen,« sagte er zu Amalia, »und du sollst mich
vergeblich erwartet und vergeblich von mir geträumt haben - es sei
denn, daß ich vorher Marcolina besessen habe.« - »Bist du wahnsinnig,
Casanova?« rief Amalia mit weher Stimme. - »So haben wir einander
nichts vorzuwerfen,« sagte Casanova. »Du bist wahnsinnig, da du in
mir altem Manne den Geliebten deiner Jugend wiederzusehen glaubst,
ich, weil ich mir in den Kopf gesetzt habe, Marcolina zu besitzen. Aber
vielleicht ist uns beiden beschieden, wieder zu Verstand zu kommen.
Marcolina soll mich wieder jung machen - für dich. Also - führe meine
Sache bei ihr, Amalia!« - »Du bist nicht bei dir, Casanova. Es ist
unmöglich. Sie will von keinem Mann etwas wissen.« - Casanova
lachte auf. »Und der Leutnant Lorenzi?« - »Was soll's mit Lorenzi
sein?« - »Er ist ihr Liebhaber, ich weiß es.« - »Wie du dich irrst,
Casanova. Er hat um ihre Hand angehalten, und sie hat sie
ausgeschlagen. Und er ist jung - er ist schön - ja, fast glaub' ich,
schöner als du je gewesen bist, Casanova!« - »Er hätte um sie
geworben?« - »Frage doch Olivo, wenn du mir nicht glaubst.« - »Nun,
mir gilt's gleich. Was geht's mich an, ob sie eine Jungfrau ist oder eine
Dirne, Braut oder Witwe - ich will sie haben, ich will sie!« - »Ich kann
sie dir nicht geben, mein Freund.« Und er fühlte aus dem Ton ihrer
Stimme, daß sie ihn beklagte. »Nun siehst du,« sagte er, »was für ein
schmählicher Kerl ich geworden bin, Amalia! Noch vor zehn - noch
vor fünf Jahren hätt' ich keinen Beistand und keine Fürsprache
gebraucht, und wäre Marcolina die Göttin der Tugend selbst gewesen.
Und nun will ich dich zur Kupplerin machen. Oder wenn ich reich
wäre ... Ja, mit zehntausend Dukaten ... Aber ich habe nicht zehn. Ein
Bettler bin ich, Amalia.« - »Auch für hunderttausend bekämst du
Marcolina nicht. Was kann ihr am Reichtum liegen? Sie liebt die
Bücher, den Himmel, die Wiesen, die Schmetterlinge und die Spiele
mit Kindern ... Und mit ihrem kleinen Erbteil hat sie
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