Cannes und Genua | Page 3

Walther Rathenau
schwer, weil sich andere V?lker gegen die Vermehrung der deutschen Einfuhr wehren. Es bleibt das Mittel, die landwirtschaftliche Produktion zu heben, aber das erfordert Zeit bei den infolge des Krieges verschlechterten Bedingungen.
Ich will jetzt im einzelnen von den Lasten sprechen, die auf Deutschland ruhen. F��r 1922 betr?gt das Budget 85 Milliarden ausschliesslich Reparationen und sonstigen Friedensvertragsleistungen. Um diese Last zu balanzieren, war es n?tig, die Steuerlasten zu verdoppeln.
Ich will hier nicht ��ber die sehr wichtige Frage der vergleichenden Steuerbelastung sprechen. Wir haben Unterlagen vorbereitet und stellen sie zur Verf��gung. Ich stelle unter Beweis, dass der Deutsche fernerhin eine schwerere B��rde tr?gt als der Bewohner irgend eines anderen Landes, insbesondere der Engl?nder oder der Franzose. Um den Staatshaushalt zu konsolidieren, wird es sich zun?chst darum handeln, die Reichsbetriebe zu balanzieren, Eisenbahnen, Post, Telegraphen. Die Massnahmen sind ergriffen, um im Jahre 1922 diese Reichsbetriebe ins Gleichgewicht zu bringen. Ferner handelt es sich um die Beseitigung der Subsidien, die bisher zur Verbilligung der Lebensmittel und aus sozialen Gr��nden gegeben werden mussten. Ich trete in die Einzelheiten nicht ein. Massnahmen sind ergriffen, die dazu f��hren sollen, diese Subsidien allm?hlich abzubauen.
Eine dritte Frage wegen des deutschen Budgets betrifft die Frage des Kohlenpreises. Der Kohlenpreis n?hert sich sehr rasch dem Weltmarktpreis. Sobald der Preis des Dollars sich weiter erm?ssigt, ��berschreiten die deutschen Kohlenpreise den Weltmarktpreis und zwar zu verschiedenen Zeitpunkten, da die Preisverh?ltnisse der einzelnen Sorten verschieden sind.
Bisher habe ich stets nur von einem Budget ohne Reparationen und ohne die inneren Kosten des Friedensvertrages gesprochen. Wenn ich von den bereits erw?hnten 500 Millionen f��r 1922 ausgehe, wenn ich ferner ausgehe von Sachleistungen von 1450 Millionen Goldmark und dann noch die inneren Kosten des Friedensvertrages nehme, so komme ich zu folgenden Ziffern:
500 Millionen Gmk. zum Kurse von 50 = 25 Milld. Ppmk. 1450 " " = 72,5 " " Friedensvertragsausgaben = 38 " " ------------------- 135,5 " "
Diese Summen k?men also zus?tzlich zu dem Budget von 1922 mit seinen 83 Milliarden Papiermark. Das Budget w��rde also etwa 150 Prozent neue Belastung erfahren und sich damit auf 218,5 Milliarden Papiermark belaufen. Um die Bilanz herzustellen, gibt es nur zwei Mittel:
eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Steuern oder eine Riesenanleihe.
Es w?re unm?glich, da das Land schwerer als seine Nachbarn belastet ist, die Steuern nochmals zu verdoppeln. Es bleibt also die Frage einer sehr grossen Anleihe. Ich glaube, dass man eine derartige Anleihe nicht im Auslande wird machen k?nnen. Die City von London hat sich schon geweigert, einen sehr viel kleineren Betrag f��r die Januar- und Februarzahlungen durch eine Anleihe zu finanzieren. Die Frage einer inneren Anleihe wird sehr ernsthaft er?rtert werden. Aber in der gegenw?rtigen Situation wird es kaum m?glich sein, die notwendigen Reizmittel zu finden, um eine Anleihe auch nur ann?hernd des erforderlichen Umfanges unterzubringen.
Ich lege Wert darauf, einen Vorwurf zu entkr?ften, der immer wieder auftaucht und der dahin geht, Deutschland sei doch dasselbe Land, es habe jetzt noch 60 Millionen Einwohner, darunter eine grosse landwirtschaftliche und industrielle Bev?lkerung und reichliche Arbeitsmittel. Es habe keine Arbeitslosigkeit. Weshalb k?nne dieses t?tige und angeblich reiche Land keinerlei Zahlungen leisten? Demgegen��ber sage ich, wir haben keine Ersparnisse. Lassen Sie mich einen Augenblick die Frage der Ersparnisse, der national savings, pr��fen.
Wenn ich das Deutschland von jetzt und fr��her vergleiche, so fehlen uns zun?chst die Reserven, die wir aus den Anlagen im Ausland hatten. Vor dem Kriege waren wir aus diesen Quellen mit 1,5 Milliarden aktiv, jetzt sind wir mit ? Milliarden passiv. Der zweite Faktor ist der Verlust an Gebiet und Bev?lkerung. Gegen��ber der Zeit vor dem Kriege haben wir daran mehr als 10 Prozent verloren.
Der dritte Faktor ist der bereits erl?uterte R��ckgang der Ausfuhr. Die Ausfuhr hat sich von 10 Milliarden Goldmark auf 3,5 oder unter Ber��cksichtigung des Weltindexes auf 2,5 Milliarden vermindert. Die Gewinne daraus sind deshalb ebenfalls entsprechend zur��ckgegangen. Ein vierter Faktor: Wir verloren einen grossen Teil unserer Rohstoffe, die wir jetzt einf��hren und mit Goldmark oder Ausfuhr bezahlen m��ssen.
Der f��nfte Faktor ist der, dass sich die landwirtschaftliche Bev?lkerung mehr vermindert hat als die Gesamtbev?lkerung, und dass gerade landwirtschaftliche Ueberschussgebiete verloren sind.
Auch der sechste Faktor ist sehr betr?chtlich. Es handelt sich um die Erm?ssigung der Dienste und ihres Ertrages, die Deutschland durch Schiffahrt, Aussenhandel und Bankverkehr im Ausland leistete.
Auf Grund dieser Faktoren, wenn sie sich auch z. T. ��berdecken, besteht meiner Sch?tzung nach anstelle eines Ueberschusses, einer nationalen Ersparnis von 6 Milliarden Goldmark vor dem Kriege jetzt ein Defizit von 1 bis 2 Milliarden Goldmark j?hrlich. So zehrt das Land sich allm?hlich auf; es lebt von seiner eigenen Substanz. Es hat weder die Mittel f��r Erneuerungen noch f��r die wirtschaftliche Ausstattung seines Bev?lkerungszuwachses.
Es wird auch die Frage Deutschland gegen��ber aufgeworfen, und der Herr Vorsitzende hat sie mit Recht in Er?rterung gestellt: Was tut Ihr mit Euren Waren? Wenn Ihr sie nicht ausf��hrt, so speichert Ihr sie auf und investiert sie
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 31
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.