das alte Haus bezogen, viele Jahre als
Supercargo auf Westindien gefahren. Dort sollte er sich mit einer
Schwarzen verheiratet haben; als er aber heimgekommen, hatte man
vergebens darauf gewartet, eines Tages auch jene Frau mit einigen
dunkeln Kindern anlangen zu sehen. Und bald hieß es, er habe auf der
Rückfahrt ein Sklavenschiff getroffen und an den Kapitän desselben
sein eigen Fleisch und Blut nebst ihrer Mutter um schnödes Gold
verkauft.--Was wahres an solchen Reden gewesen, vermag ich nicht zu
sagen", pflegte der Greis hinzuzusetzen; "denn ich will auch einem
Toten nicht zu nahe treten; aber so viel ist gewiß, ein geiziger und
menschenscheuer Kauz war es; und seine Augen blickten auch, als
hätten sie bösen Taten zugesehen. Kein Unglücklicher und
Hilfesuchender durfte seine Schwelle betreten; und wann immer ich
damals dort gewesen, stets war von innen die eiserne Kette vor die Tür
gelegt.--Wenn ich dann den schweren Klopfer wiederholt hatte
anschlagen müssen, so hörte ich wohl von der obersten Treppe herab
die scheltende Stimme des Hausherrn: Frau Anken! Frau Anken! Ist Sie
taub? Hört Sie nicht, es hat geklopft!' Alsbald ließen sich aus dem
Hinterhaus über Pesel und Korridor die schlurfenden Schritte des alten
Weibes vernehmen. Bevor sie aber öffnete, fragte sie hüstelnd:'Wer ist
es denn?' und erst, wenn ich geantwortet hatte:'Es ist der Leberecht!'
wurde die Kette drinnen abgehakt. Wenn ich dann hastig die
siebenundsiebzig Treppenstufen--denn ich habe sie einmal
gezählt--hinaufgestiegen war, pflegte Herr Bulemann auf dem kleinen
dämmerigen Flur vor seinem Zimmer schon auf mich zu warten; in
dieses selbst hat er mich nie hineingelassen. Ich sehe ihn noch, wie er
in seinem gelbgeblümten Schlafrock mit der spitzen Zipfelmütze vor
mir stand, mit der einen Hand rücklings die Klinke seiner Zimmertür
haltend. Während ich mein Gewerbe bestellte, pflegte er mich mit
seinen grellen runden Augen ungeduldig anzusehen und mich darauf
hart und kurz abzufertigen. Am meisten erregten damals meine
Aufmerksamkeit ein paar ungeheuere Katzen, eine gelbe und eine
schwarze, die sich mitunter hinter ihm aus seiner Stube drängten und
ihre dicken Köpfe an seinen Knieen rieben.--Nach einigen Jahren hörte
indessen der Verkehr mit meinem Vater auf, und ich bin nicht mehr
dort gewesen. Dies alles ist nun über siebzig Jahre her, und Herr
Bulemann muß längst dahin getragen sein, von wannen niemand
wiederkehrt."--Der Mann irrte sich, als er so sprach. Herr Bulemann ist
nicht aus seinem Haus getragen worden; er lebt darin noch jetzt.
Das aber ist so zugegangen.
Vor ihm, dem letzten Besitzer, noch um die Zopf--und Haarbeutelzeit,
wohnte in jenem Haus ein Pfandverleiher, ein altes verkrümmtes
Männchen. Da er sein Gewerbe mit Umsicht seit über fünf Jahrzehnten
betrieben hatte und mit einem Weib, das ihm seit dem Tod seiner Frau
die Wirtschaft führte, aufs spärlichste lebte, so war er endlich ein
reicher Mann geworden. Dieser Reichtum bestand aber zumeist in einer
fast unübersehbaren Menge von Pretiosen, Geräten und seltsamstem
Trödelkram, was er alles von Verschwendern oder Notleidenden im
Laufe der Jahre als Pfand erhalten hatte und das dann, da die
Rückzahlung des darauf gegebenen Darlehens nicht erfolgte, in seinem
Besitz zurückgeblieben war.--Da er bei einem Verkauf dieser Pfänder,
welcher gesetzlich durch die Gerichte geschehen mußte, den Überschuß
des Erlöses an die Eigentümer hätte herausgeben müssen, so häufte er
sie lieber in den großen Nußbaumschränken auf, mit denen zu diesem
Zwecke nach und nach die Stuben des ersten und endlich auch des
zweiten Stockwerks besetzt wurden. Nachts aber, wenn Frau Anken im
Hinterhaus in ihrem einsamen Kämmerchen schnarchte und die
schwere Kette vor der Haustür lag, stieg er oft mit leisen Tritt die
Treppen auf und ab. In seinen hechtgrauen Rockelor eingeknöpft, in
der einen Hand die Lampe, in der andern das Schlüsselbund, öffnete er
bald im ersten, bald im zweiten Stockwerk die Stuben- und die
Schranktüren, nahm hier eine goldene Repetieruhr, dort eine emaillierte
Schnupftabaksdose aus dem Versteck hervor und berechnete bei sich
die Jahre ihres Besitzes und ob die ursprünglichen Eigentümer dieser
Dinge wohl verkommen und verschollen seien oder ob sie noch einmal
mit dem Geld in der Hand wiederkehren und ihre Pfänder
zurückfordern könnten.
Der Pfandverleiher war endlich im äußersten Greisenalter von seinen
Schätzen weggestorben und hatte das Haus nebst den vollen Schränken
seinem einzigen Sohn hinterlassen müssen, den er während seines
Lebens auf jede Weise daraus fern zu halten gewußt hatte.
Dieser Sohn war der von dem kleinen Leberecht so gefürchtete
Supercargo, welcher eben von einer überseeischen Fahrt in seine
Vaterstadt zurückgekehrt war. Nach dem Begräbnis des Vaters gab er
seine früheren Geschäfte auf und bezog dessen Zimmer im dritten
Stock des alten Erkerhauses, wo nun statt des verkrümmten Männchens
im hechtgrauen Rockelor eine lange hagere Gestalt im gelbgeblümten
Schlafrock und bunter Zipfelmütze auf und ab wandelte oder rechnend
an dem kleinen Pulte des Verstorbenen stand.
Auf Herrn Bulemann hatte sich indessen das Behagen des alten
Pfandverleihers an den aufgehäuften Kostbarkeiten nicht vererbt.
Nachdem er
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