Bulemanns Haus | Page 7

Theodor W. Storm
zwei furchtbare, namenlose Raubtiere. Die stellten sich gegen ihn, sahen ihn mit ihren glimmenden Augen an und stie?en ein heiseres Geheul aus. Er wollte an ihnen vorbei, aber ein Schlag mit der Tatze, der ihm einen Fetzen aus dein Schlafrock ri?, trieb ihn zur��ck. Er lief ins Zimmer; er wollte ein Fenster aufrei?en, um die Menschen auf der Gasse anzurufen; aber die Katzen sprangen hintendrein und kamen ihm zuvor. Grimmig schnurrend, mit erhobenem Schweif, wanderten sie vor den Fenstern auf und ab. Herr Bulemann rannte auf den Flur hinaus und warf die Zimmert��r hinter sich zu; aber die Katzen schlugen mit der Tatze auf die Klinke und standen schon vor ihm an der Treppe.
Wieder floh er ins Zimmer zur��ck, und wieder waren die Katzen da. Schon verschwand der Tag, und die Dunkelheit kroch in alle Ecken. Tief unten von der Gasse herauf h?rte er Gesang; Knaben und M?dchen zogen von Haus zu Haus und sangen Weihnachtslieder. Sie gingen in alle T��ren; er stand und horchte. Kam denn niemand in seine T��r?--Aber er wu?te es ja, er hatte sie selber alle fortgetrieben; es klopfte niemand, es r��ttelte niemand an der verschlossenen Haust��r. Sie zogen vor��ber; und allm?hlich war es still, totenstill auf der Gasse. Und wieder suchte er zu entrinnen; er wollte Gewalt anwenden; er rang mit den Tieren, er lie? sich Gesicht und H?nde blutig rei?en. Dann wieder wandte er sich zur List; er rief sie mit den alten Schmeichelnamen, er strich ihnen die Funken aus dem Pelz und wagte es sogar, ihren flachen Kopf mit den gro?en wei?en Z?hnen zu kraulen. Sie warfen sich auch vor ihm hin und w?lzten sich schnurrend zu seinen F��?en; aber wenn er den rechten Augenblick gekommen glaubte und aus der T��r schl��pfte, so sprangen sie auf und standen, ihr heiseres Geheul aussto?end, vor ihm.--So verging die Nacht, so kam der Tag, und noch immer rannte er zwischen der Treppe und den Fenstern seines Zimmers hin und her, die H?nde ringend, keuchend, das graue Haar zerzaust.
Und noch zwei Mal wechselten Tag und Nacht; da endlich warf er sich g?nzlich ersch?pft, an allen Gliedern zuckend, auf das Kanapee. Die Katzen setzten sich ihm gegen��ber und blinzelten ihn schl?frig aus halbgeschlossenen Augen an. Allm?hlich wurde das Arbeiten seines Leibes weniger und endlich h?rte es ganz auf. Eine fahle Bl?sse ��berzog unter den Stoppeln des grauen Bartes sein Gesicht; noch einmal aufseufzend, streckte er die Arme und spreizte die langen Finger ��ber die Kniee; dann regte er sich nicht mehr.
Unten in den ?den R?umen war es indessen nicht ruhig gewesen. Drau?en an der T��r des Hinterhauses, die auf den engen Hof hinausf��hrt, geschah ein emsiges Nagen und Fressen. Endlich entstand ��ber der Schwelle eine ?ffnung, die gr??er und gr??er wurde; ein grauer Mauskopf dr?ngte sich hindurch, dann noch einer, und bald huschte eine ganze Schar von M?usen ��ber den Flur und die Treppe hinauf in den ersten Stock. Hier begann das Arbeiten aufs neue an der Zimmert��r, und als diese durchnagt war, kamen die gro?en Schr?nke daran, in denen Frau Ankens hinterlassene Sch?tze aufgespeichert lagen. Da war ein Leben wie im Schlaraffenland; wer durch wollte, mu?te sich durchfressen. Und das Geziefer f��llte sich den Wanst; und wenn es mit dem Fressen nicht mehr fort wollte, rollte es die Schw?nze auf und hielt sein Schl?fchen in den hohlgefressenen Weizenbr?tchen. Nachts kamen sie hervor, huschten ��ber die Dielen oder sa?en, ihre Pf?tchen leckend, vor dem Fenster und schauten, wenn der Mond schien, mit ihren kleinen blanken Augen in die Gasse hinab.
Aber diese behagliche Wirtschaft sollte bald ihr Ende erreichen. In der dritten Nacht, als eben droben Herr Bulemann seine Augen zugetan hatte, polterte es drau?en auf den Stiegen. Die gro?en Katzen kamen herabgesprungen, ?ffneten mit einem Schlag ihrer Tatze die T��r des Zimmers und begannen ihre Jagd. Da hatte alle Herrlichkeit ein Ende. Quieksend und pfeifend rannten die fetten M?use umher und strebten ratlos an den W?nden hinauf. Es war vergebens; sie verstummten eine nach der andern zwischen den zermalmenden Z?hnen der beiden Raubtiere.
Dann wurde es still, und bald war in dem ganzen Haus nichts vernehmbar als das leise Spinnen der gro?en Katzen, die mit ausgestreckten Tatzen droben vor dem Zimmer ihres Herrn lagen und sich das Blut aus den B?rten leckten.
Unten in der Haust��r verrostete das Schlo?, den Messingklopfer ��berzog der Gr��nspan, und zwischen den Treppensteinen begann das Gras zu wachsen.
Drau?en aber ging die Welt unbek��mmert ihren Gang. Als der Sommer gekommen war, stand auf dem St. Magdalenenkirchhof auf dem Grab des kleinen Christoph ein bl��hender wei?er Rosenbusch; und bald lag auch ein kleiner Denkstein unter demselben. Den Rosenbusch hatte seine Mutter ihm gepflanzt; den Stein freilich hatte sie nicht beschaffen k?nnen. Aber Christoph hatte einen Freund gehabt; es war ein junger Musikus, der Sohn eines Tr?dlers, der in dem Haus ihnen gegen��ber wohnte. Zuerst hatte er sich
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