Briefe an eine Freundin | Page 8

Wilhelm von Humboldt
seiner Arbeit Verdienst zu suchen, Sie sollen ja auch nachher ganz frei sein. Nur bis Ihre Gesundheit wiederhergestellt ist, folgen Sie. Jetzt ist jede Arbeit Ihnen verderblich. Wenden Sie sich aber an andere, so glauben Sie mir, niemand antwortet Ihnen so anspruchslos, so uneigenn��tzig; andere glauben Ihnen einen Gefallen zu tun; mir erzeigen Sie einen. -- Jetzt breche ich davon ab und rede Ihnen von mir, weil Sie es wollen. Ich bin, wie man Ihnen gesagt hat, verheiratet, ich heiratete drei Jahre, nachdem ich Sie sah, und habe jetzt f��nf Kinder; drei habe ich verloren. Ich heiratete blo? und nur aus innerer Neigung, und es ist vielleicht nie ein Mann in seiner Verbindung so gl��cklich gewesen. Nur seit den letzten zwei Jahren habe ich das Ungl��ck, da? meine Frau kr?nkelt, und mich meine Gesch?fte oft von ihr fern gehalten haben, wie es noch jetzt der Fall ist. Da Sie, wie Sie mir sagen, manchmal von mir h?rten, so werden Sie wissen, da? ich einige Jahre hindurch Gesandter in Rom war. Ich nahm die Stelle nur des Landes wegen an, und h?tte es, ohne die ungl��cklichen Ereignisse, nie verlassen. In diesen wurde es aber gewisserma?en zur Pflicht, zu dienen, und so bin ich nach und nach in verwickelte Verh?ltnisse gesto?en worden. Sie sind aber meiner Neigung wenig angemessen, und mir w��rde ein stilleres und einfacheres Leben mehr zusagen. Den Krieg hindurch war ich im Hauptquartier, dann in England, von da ging ich nach der Schweiz, meine Frau zu besuchen, die dort hingereist war. Jetzt bin ich hier auf dem Kongre?, und sie ist auf ihren G��tern, von denen sie nach Berlin gehen wird. Nach dem Kongre? besuche ich sie dort und gehe als Gesandter nach Paris, wohin sie mir sp?ter folgen wird. Mein ?ltester Sohn ist schon Offizier, ging mit 16 Jahren ins Feld, wurde verwundet, ist aber gl��cklich geheilt und nun wohlbehalten zur��ckgekommen. Au?er ihm habe ich drei M?dchen und einen kleinen Jungen. Die beiden j��ngsten der M?dchen sind eigentlich in Italien gro? geworden und konnten keine Silbe deutsch, wie sie, die ?lteste im zehnten Jahre, nach Wien kamen. Ich w��nschte, Sie s?hen sie. Es sind zwei unendlich liebe Gesch?pfe. Der kleine Junge ist erst f��nf Jahre. Zwei S?hne hatte ich das Ungl��ck in Rom zu verlieren, eine Tochter, mit der meine Frau, als sie eine Reise nach Paris machte, niederkam, ohne da? ich sie sah. So wissen Sie meine ?u?eren Schicksale. Von den inneren l??t sich nur reden, nicht schreiben.
Nun nehmen Sie noch einmal meinen herzlichen Dank. Ich wei? nicht, ob ich Sie je wiedersehen werde, und ich darf es kaum hoffen. Ich kann mir auch jetzt kein deutliches Bild von Ihnen machen. Allein wenn daher auch das, was ich von Ihnen in der Seele trage, eine Erscheinung der Vergangenheit ist, sogar eine, an die meine Einbildungskraft vieles, ��ber die augenblickliche Dauer unseres Zusammenseins hinaus, legte, so glauben Sie gewi?, da? es nie eine fl��chtige war und nie eine solche sein wird.
Ganz der Ihrige. H.
Die Originalbriefe und das Erinnerungsblatt schicke ich zur��ck.

Wien, den 18. Dezember 1814.
Ihr Brief, liebe Charlotte, hat mir gro?e Freude gemacht, und ich danke Ihnen recht herzlich daf��r. Sie legen zu viel Wert auf das, was so nat��rlich war und nicht anders sein konnte. Ihr Andenken hat sich nie bei mir verloren, noch verlieren k?nnen, allein es fiel mir nicht ein, zu glauben, da? ich je wieder von Ihnen h?ren w��rde, noch weniger, da? Sie meiner auch nur irgend gedachten. Auf einmal rufen Sie mir mit G��te und mit dem ungezwungenen Gest?ndnis, da? Sie, ohne die Umst?nde, die uns trennten, vielleicht mehr empfunden h?tten, die Bilder der Vergangenheit und Jugend zur��ck. In der R��hrung und in der Freude, die das in mir weckte, habe ich Ihnen geantwortet und werde ich Ihnen immer antworten. Erheben Sie mich also nicht deshalb, aber bleiben Sie mir gut, erhalten Sie mir Ihr Vertrauen; schreiben Sie mir so herzlich, so vertrauend als jetzt, lassen Sie sich ganz mit mir gehen, wie ich mit Ihnen, und glauben Sie nicht, da? mir Ihre Briefe je zu h?ufig kommen, je zu weitl?ufig sein k?nnten. Es gibt nichts Begl��ckenderes f��r einen Mann, als die unbedingte Ergebenheit eines weiblichen Gem��ts. Ich bin weit entfernt, den mindesten Anspruch an Sie zu machen. Ich kann kein Recht dazu besitzen. Sie k?nnen nur ein schwankendes Bild von mir in der Seele tragen. Ich mu? jetzt, von Gesch?ften, Sorgen, Zerstreuungen zerrissen, Verzicht darauf tun, Ihnen irgend etwas sein zu k?nnen. Aber Sie k?nnen mir, wenn Sie fortfahren mir zu schreiben, wie Sie tun, mir von Ihrem ?u?ern und innern Leben zu erz?hlen, mit mir ohne R��ckhalt so vertraulich umzugehen, wie es Ihren ersten Empfindungen f��r mich entsprochen h?tte, eine Freude geben, die ich mit inniger und wahrer Dankbarkeit empfangen werde. Schreiben Sie mir also ja von Zeit zu Zeit. Sie
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