Aus meinem Leben, Erster Teil
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Title: Aus meinem Leben, Erster Teil
Author: August Bebel
Release Date: May 5, 2004 [EBook #12267]
Language: German
Character set encoding: UTF-8
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MEINEM LEBEN, ERSTER TEIL ***
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Aus meinem Leben
Von August Bebel
Erster Teil
1910
Meiner lieben Frau
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Aus der Kinder- und Jugendzeit Die Lehr- und Wanderjahre
Zurück nach Wetzlar und weiter Mein Eintritt in die
Arbeiterbewegung und das öffentliche Leben Lassalles Auftreten und
dessen Folge Der Vereinstag der deutschen Arbeitervereine Friedrich
Albert Lange Neue soziale Erscheinungen Der Stuttgarter Vereinstag
Wilhelm Liebknecht Zunehmende Verstimmung in den
Arbeitervereinen Die Katastrophe von 1866 Nach dem Krieg Die
Weiterentwicklung des Verbandes der deutschen Arbeitervereine
Persönliches Der Marsch nach Nürnberg Die
Gewerkschaftsbewegung Meine erste Verurteilung Vor
Barmen-Elberfeld
Vorwort.
Der Wunsch vieler meiner Parteigenossen, ich möchte meine
Erinnerungen schreiben, trifft mit meinem eigenen Wunsche zusammen.
Ist man wie ich durch die Gunst der Verhältnisse in eine
einflußreiche Stellung gelangt, dann hat auch die Allgemeinheit ein
Recht, die Umstände kennen zu lernen, die dazu führten. Aber
auch die Menge falscher Anklagen und schiefer Urteile, mit denen ich
so oft überschüttet wurde, lassen es mir gerechtfertigt erscheinen,
der Oeffentlichkeit zu zeigen, was daran Wahres ist.
Dazu sind Offenheit und Wahrheit die ersten Erfordernisse, andernfalls
hat es keinen Zweck, über sein Leben Veröffentlichungen zu
machen. Der Leser meiner Aufzeichnungen, einerlei auf welcher Seite
er steht oder zu welcher Partei er sich zählt, wird mir nicht den
Vorwurf machen können, ich hätte vertuscht oder schön gefärbt.
Ich habe die Wahrheit gesagt auch dort, wo mancher denken wird, ich
hätte besser getan, sie zu verschweigen. Diese Ansicht teile ich nicht.
Es gibt keinen fehlerlosen Menschen, und manchmal ist es das
Bekenntnis eines Fehlers, das den Leser am lebhafteren interessiert und
zur richtigen Beurteilung am besten befähigt.
Wollte ich nach Möglichkeit die Wahrheit schreiben, so konnte ich
mich nicht auf mein Gedächtnis verlassen. Nach einer Reihe von
Jahren läßt einen das Gedächtnis im Stich, selbst Vorgänge, die
sich einem tief einprägten, erlangen im Laufe der Jahre unter allerlei
Suggestionen eine ganz andere Gestalt. Ich habe diese Erfahrung
häufig nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen gemacht. Ich habe
nicht selten im besten Glauben Vorgänge früherer Jahre im Kreise
von Bekannten und Freunden erzählt, die sich nachher, zum Beispiel
durch aufgefundene Briefe, die unmittelbar unter dem Eindruck der
Vorgänge geschrieben wurden, ganz anders darstellten. Das hat mich
zu der Ansicht geführt: Kein Richter sollte über wenige Jahre
eines Vorfalls hinaus einem Zeugen einen Eid abnehmen. Die Gefahr
des Falscheides ist groß.
Um die Richtigkeit meiner Angaben und auch der Auffassungen, wie
ich sie zu einer bestimmten Zeit hatte, festzustellen, habe ich nach
Möglichkeit Briefe, Notizen, Artikel usw. benutzt.
Aber es gab Abschnitte in meinem Leben, in denen es gefährlich war,
Briefe aufzubewahren, wollte ich nicht zum Denunzianten an anderen
oder an mir selbst werden. Das war ganz besonders die Zeit unter der
Herrschaft des Sozialistengesetzes, während welcher ich jede Stunde
Gefahr lief, einer Haus- und körperlichen Durchsuchung unterworfen
zu werden, sei es, um Material für einen Prozeß gegen mich oder
gegen andere zu gewinnen. Ich stand lange Zeit bei Polizei und
Staatsanwälten in dem Rufe, ein gefährlicher Mensch zu sein, dem
man nicht über den Weg trauen dürfe. Vielleicht nicht mit Unrecht.
Aus denselben Gründen verbot sich aber auch die Führung eines
Tagebuchs.
In der vorliegenden Veröffentlichung ist namentlich in bezug auf die
antisozialistischen Arbeitervereine in den sechziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts ein Material enthalten, das bisher nur teilweise bekannt
war. Nachdem Ende Oktober letzten Jahres in Frankfurt a.M. L.
Sonnemann gestorben ist, lebt außer mir keiner mehr, der die
Geschichte jener Zeit so kennt und miterlebte wie ich, und dem auch
das Material zur Verfügung stand. Ich hoffte, mit der Arbeit weiter
zu kommen, als ich gekommen bin. Aber Krankheit, die mich fast zwei
Jahre lang zu jeder anstrengenden Geistesarbeit unfähig machte,
ließ es nicht zu. Behalte ich die nötige Gesundheit, so soll dem
ersten in nicht zu langer Zeit ein zweiter und vielleicht ein dritter Teil
folgen.
Schöneberg-Berlin, Neujahr 1910
A. Bebel.
[Illustration: Meine Geburtsstätte. Die Kasematte zu Deutz-Köln.]
Aus der Kinder- und Jugendzeit.
Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die
Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen. Der Mensch
kommt mit einer Anzahl Anlagen und Charaktereigenschaften zur Welt,
deren Entwicklung von den ihn umgebenden Zuständen sehr
wesentlich abhängt. Anlagen und
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