und zwar zu seiner
Begleitung auf dem Ritt nach Karlstadt. Denn Attilius ahnte etwas....
Noch vor Tagesbeginn bei dichtestem Karstnebel traf auf dampfendem
Pferde ein Meldereiter in S. ein, der dem Kompagniechef einen Befehl
überbringen sollte. Tonidandels Diener ließ aber auftragsgemäß den
erwarteten Meldereiter nicht vor und verwies ihn in den Stall mit dem
Bedeuten, daß der Befehl erst um acht Uhr überreicht werden dürfe.
Lautete doch Tonidandels Leibspruch. Nur nichts überhudeln beim
Militär.
Punkt acht Uhr ritt der Kommandant wohlbewaffnet mit Sattelpistolen
und mit dem Regimentsbefehl betreffend Ablieferung des alten Pfaffen
im Waffenrocke, begleitet von sechs berittenen Granicaren nach
Karlstadt ab. Gemächlich und trotz des Karstnebels recht vergnügt.
Zeitweilig im Trabe, meist aber im Schritt! Nur nichts überhudeln!
Wütend zum Bersten wartete der Oberst K., ein graubärtiger, dicker
Herr mit struppigen Haaren und sehr liebebedürftigem Herzen, auf den
Kompagniekommandanten, über den sich ein militärisches Gewitter
sondergleichen entladen sollte. Wegen Verhöhnung des Vorgesetzten!
Tonidandel wurde "angehaucht und zusammengestaucht," daß die
Fenster in der Regimentskanzlei klirrten. Attilius stand wie aus Erz
gegossen, muckste nicht und ließ den Regimentschef nach Herzenslust
wettern, schimpfen, fluchen und drohen.
Bis der Oberst keinen Atem mehr hatte, nach Luft rang und stöhnte.
Dann sprach Tonidandel. "Zu Befehl, Herr Oberst! Befehl ist Befehl!
Hier ist der mir zugegangene Regimentsbefehl! Ich bitte gehorsamst,
das Originalschriftstück lesen zu wollen!"
Knirschend vor Wut griff der Oberst nach dem Dienstschreiben und las
es zornfunkelnden Auges. Und heiseren Tones stieß er hervor:
"Allerdings! Es steht 'Pfaffen' geschrieben! Herr Hauptmann hätten
aber doch unschwer den--Schreibfehler erkennen können und sollen!
Statt 'Pfaffen' muß es heißen: Waffen! Wo bleibt die Intelligenz? Wo
das höhere Erfassen? Den Kerl von Regimentsschreiber laß ich in Eisen
legen! Ich danke, Herr Hauptmann!"
"Zu Befehl, Herr Oberst!" sprach Tonidandel, salutierte stramm und
schloß dabei die vergnügt lachenden Augen.
"Danke! Werde das nicht vergessen! Auch nicht den Auflauf der
Bevölkerung in Karlstadt bei Einlieferung des Prota in einer--Kiste!
Schauderhaft! Eine Blamage für mich, die ich Ihnen zu verdanken
habe!"
"Bedaure sehr, Herr Oberst! Befehl ist Befehl! Ich bin seit vierzig
Jahren gewohnt, Befehle genau nach Vorschrift zu befolgen! Ich bin...."
"Des Teufels sind Sie, Herr! Danke, Herr Hauptmann!"
Tonidandel verbiß das Lachen und griff nach der Türklinke. Da trat der
zornige Oberst an Tonidandel heran und zischte ihm ins Ohr: "Und was
ich Ihnen nie vergeben werde, ist, daß ich das arme Opfer Ihrer Bosheit
entschädigen mußte! Mit hundert Gulden! Scheußlich!"
"Das freut mich...."
"Was? Auch das noch!"
"... für den Prota, der ein bettelarmer Mann ist und die hundert Gulden
als Wohltat empfanden wird! Ich werde ihm fünfzig Gulden schenken!
Gehorsamst guten Tag, Herr Oberst!" Damit drückte sich Tonidandel
zur Tür hinaus und lachte ein stilles, beseligendes, göttliches Lachen
der reinsten Schadenfreude....
Auf die Rache des Regimentschefs, der mit der Sendung des "Pfaffen
in der Kiste" so schön verulkt worden war, harrte Attilius Tonidandel
gleich nach seiner Ankunft in S. Aber der erwartete Gegenstreich
erfolgte nicht. Sogar die Regimentsbefehle blieben aus. Diese Tatsache
bestärkte Tonidandels Überzeugung, daß sich die Institution der
Militärgrenze bereits überlebt habe und reif zur Aufhebung geworden
sei. Mit dieser Auffassung eilte der Kommandant, was er nicht wissen
konnte, den Ereignissen um reichlich vierzig Jahre voraus.
Tag für Tag brachte die Militärpost von Karlstadt die leere Tasche aus
der Regimentskanzlei. Darob wurde Hauptmann Tonidandel nun doch
stutzig und nachdenklich. Und je mehr er grübelte, desto mehr kräftigte
sich die Überzeugung, daß der reingelegte Oberst diese stille Zeit zur
Ausbrütung eines besonderen Racheplanes benützen werde.
Furcht kannte Tonidandel als alter "Haudegen" nicht; er war bereit,
jeden Stoß des ihm aufsässigen Chefs kräftig aufzufangen und tüchtig
zu erwidern. Umkehren den Spieß im richtigen Augenblick und
zustoßen, auf daß der Oberst abermals in den Sand fliegt. Mißlich
konnte die "Vergeltung" des Chefs nur dann werden, wenn sie in die
Winterszeit fallen würde. Den schrecklichen Winter in der Lika mit
fürchterlichen Stürmen und ungeheurem Schneefall kannte der
Kommandant seit Jahren und genauer, als ihm lieb war.
Eines trüben Tages, da schüchterne Schneeflocken zaghaft in die
blaugraue Korana fielen, brachte die Militärpost endlich einen
Regimentsbefehl aus Karlstadt an den Kommandanten der Kompagnie.
In größter Spannung las Tonidandel sehr aufmerksam das
Dienstschreiben Wort für Wort, lauernd wie ein Luchs, erwartungsvoll
wie nie im Dienstleben an der Militärgrenze. Doch nichts von
"Revanche" war zu finden, keine "Falle" zu entdecken. Nicht einmal
ein Schreibfehler ähnlich Pfaffen = Waffen.
Geradezu harmlos war der Auftrag, einen Dorfpopen im Bezirke wegen
ungenügender Führung der Tauf-, Ehe- und Sterberegister zur
Verantwortung zu ziehen, Ordnung zu schaffen und über das Ergebnis
der Untersuchung sowie Strafantrag an das Regimentskommando
erschöpfend zu berichten. Der zweite Teil des Dienstschreibens enthielt
den Befehl zur Aufstellung von Detachements in mehreren, eigens
benannten Dörfern, von sogenannten Räuberkommandos zur
Unterdrückung von Räubereien.
Diesen Befehl las Tonidandel immer wieder, wobei er sich an den Kopf
griff. Der Zweck dieses Befehles war
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.