Auf dem Staatshof, by Theodor
Storm
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Title: Auf dem Staatshof
Author: Theodor Storm
Release Date: September, 2005 [EBook #8927] [This file was first
posted on August 25, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, AUF DEM
STAATSHOF ***
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Auf dem Staatshof
Theodor Storm
Ich kann nur einzelnes sagen; nur was geschehen, nicht, wie es
geschehen ist; ich weiß nicht, wie es zu Ende ging, und ob es eine Tat
war oder nur ein Ereignis, wodurch das Ende herbeigefÜhrt wurde.
Aber wie es die Erinnerung mir tropfenweise hergibt, so will ich es
erzÄhlen.
Die kleine Stadt, in der meine Eltern wohnten, lag hart an der Grenze
der Marschlandschaft, die bis ans Meer mehrere Meilen weit ihre
grasreiche Ebene ausdehnt. Aus dem Nordertor führt die Landschaft
eine Viertelstunde Weges zu einem Kirchdorf, das mit seinen Bäumen
und Strohdächern weithin auf der ungeheueren Wiesenfläche sichtbar
ist. Seitwärts von der Straße, hinter dem weiß getünchten Pastorate,
geht quer durchs Land ein Fußsteig über die Fennen, wie hier die
einzelnen, fast nur zur Viehweide benutzten Landflächen genannt
werden; von einem Heck zum andern, aber auf schmalem Steg über die
Gräben, durch welche die Fennen voneinander geschieden sind.
Hier bin ich in meiner Jugend oft gegangen; ich mit einer andern. Ich
sehe noch das Gras im Sonnenscheine funkeln und fernab um uns her
die zerstreuten GehÖfte mit ihren weißen Gebäuden in der klaren
Sommerluft. Die schweren Rinder, welche wiederkäuend neben dem
Fußsteige lagen, standen auf, wenn wir vorübergingen, und gaben uns
das Geleite bis zum nächsten Heck; mitunter in den Trinkgruben erhob
ein Ochse seine breite Stirn und brüllte weit in die Landschaft hinaus.
Zu Ende des Weges, der fast eine halbe Stunde dauert, unter einer
düstern Baumgruppe von Rüstern und Silberpappeln, wie sie kein
andres Besitztum dieser Gegend aufzuweisen hat, lag der "Staatshof".
Das Haus war auf einer mäßig hohen Werfte nach der Weise des
Landes gebaut, eine sogenannte Heuberg, in welcher die Wohnungs-
und Wirtschaftsräume unter einem Dache vereinigt sind; aber die Graft,
welche sich ringsumher zog, war besonders breit und tief, und der
weitläufige Garten, der innerhalb derselben die Gebäude umgab, war
vorzeiten mit patrizischem Luxus angelegt.
Das Gehöfte war einst neben vielen andern in Besitz der nun gänzlich
ausgestorbenen Familie van der Roden, aus der während der beiden
letzten Jahrhunderte eine Reihe von Pfennigmeistern und Ratmännern
der Landschaft und Bürgermeistern meiner Vaterstadt hervorgegangen
sind.--Neunzig Höfe, so hieß es, hatten sie gehabt und sich im Übermut
vermessen, das Hundert voll zu machen. Aber die Zeiten waren
umgeschlagen; es war unrecht Gut dazwischengekommen, sagten die
Leute; der liebe Gott hatte sich ins Mittel gelegt, und ein Hof nach dem
andern war in fremde Hände übergegangen. Zur Zeit, wo meine
Erinnerung beginnt, war nur der Staatshof noch im Eigentum der
Familie, von dieser selbst aber niemand übriggeblieben als die alternde
Besitzerin und ein kaum vierjähriges Kind, die Tochter eines früh
verstorbenen Sohnes. Der letzte männliche Sprosse war als
fünfzehnjähriger Knabe auf eine gewaltsame Weise ums Leben
gekommen; auf der Fenne eines benachbarten Hofbesitzers hatte er ein
einjähriges Füllen ohne Zaum und Halfter bestiegen, war dabei von
dem scheuen Tier in die Trinkgrube gestürzt und ertrunken.
Mein Vater war der geschäftliche Beistand der alten Frau Ratmann van
der Roden.--Gehe
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