Angela Borgia | Page 6

Conrad Ferdinand Meyer
Freude", erwiderte Bembo, "Eure klugen H?nde bauen zu sehen. Euer Werk ist untadelig und schwer zu erschüttern. Ich frage mich noch mit schmerzlichem Zweifel: Fordert Eure Sicherheit von mir das Opfer, da? ich Ferrara meide und mich Eurer Gegenwart beraube, die wie eine goldige Luft das ganze Dasein erhellt und verkl?rt?"
"Das habe ich vom Vater", sagte sie harmlos.
Der feine Venezianer zog die Brauen zusammen.
"Die Bande Eures Blutes und der D?mon Eures Hauses sind Eure Gefahr", seufzte er. "Und darum verlasse ich Euch ungern. Dennoch ist es besser, ich gehe. Eure Sicherheit, Madonna, ruht auf dem Vertrauen, das Don Alfonso Euch schenkt. Unsere geistige Liebe würde er kaum beargw?hnen, sachlich, wie er ist; und doch ist es besser... wer liebt, der opfert sich."
"Es ist besser", best?tigte sie leise.
"Erlaubt mir nun zum Abschied, geliebte Frau, ein freies und schützendes Wort!" bat er. "Die Verh?ltnisse liegen vor Euch im Licht Eures scharfen Verstandes, aber dieser helle Tag reicht nur bis an den Schattenkreis, wo Eure Liebe zu Vater und Bruder beginnt."
Hier entf?rbte sich Lukrezia, und ihr bleiches Auge erstarrte zu einem Medusenblick.
"Zürnet nicht, Madonna", rief Bembo. "Wei? ich doch, wie Ihr als unschuldiges Kind in diese schwere Verstrickung gerietet! Reden mu? ich zu Euerm Heil. Erinnert Euch: Jahre waren vergangen seit Euerm Einzug, Euer Gemahl war regierender Herzog geworden, Ihr hattet Wurzeln geschlagen in Ferrara und die Liebe des Volkes gewonnen; da starb Euch der Vater. Ihr aber ergabet Euch ma?loser Trauer und unendlichen Tr?nen, bis ich kam und Euch ins Ohr flüsterte: Ihr beleidigt mit Euern Tr?nenergüssen Don Alfonso und vergesset die unleidlichen Dinge, denen er Euch entri?."
Lukrezia h?rte ihm aufmerksam zu, und ihr Verstand mu?te ihm gegen ihr leidenschaftliches Gefühl recht geben.
"Wenn dergestalt Euer Urteil über den weiland Heiligen Vater ein verblendetes ist, so entsteht jetzt, da er dahingefahren, für Euch daraus kein Unheil mehr. Ein anderes aber ist es mit C?sar, Euerm furchtbaren Bruder: er lebt und besitzt noch seine Drachenkraft. Er ist ein Jüngling und wird sicherlich heute oder morgen seine Fesseln durchfeilt haben und wieder aus dem Orkus steigen, um ganz Italien zu verwirren. Diese schwarze Klippe bedroht Euere Barke; m?ge sie nicht daran scheitern! Das Wiederkommen C?sars ist Eure Schicksalsstunde. Und Ihr werdet--" er besann sich, ob er ihr die bittere Arznei erspare, fuhr aber mit entschlossener Liebe fort: "wehe Euch, Ihr werdet folgen, wenn Euch Don C?sar ruft. Ihr werdet dem Teufel gehorchen, wie sie erz?hlen, da? Euer Vater auf dem Sterbebette sagte: 'Du rufst, ich komme'."
Lukrezia bekreuzigte sich.
"Teure Herrin!" Bembo machte eine Bewegung, ihr zu Fü?en zu fallen, hielt sich aber zurück, da die wandelnde Angela sich gerade nach ihnen umwandte.
"Ich beschw?re dich, Lukrezia", flüsterte er, sich zu ihr beugend, "sobald diese gef?hrlichen Stunden kommen und du fühlst, da? du die Herrschaft über dich verlierst, so wirf dich vor dem Herzog nieder und bekenne, da? du sein Verbot übertreten willst, denn sicherlich wird er seinen Untertanen bei Todesstrafe verbieten, mit C?sar zu zetteln, dessen Erscheinung Italien wie ein Erdbeben erschüttern würde... Doch ich beschw?re Euch vergeblich, Madonna! Denn ich wei?, Ihr werdet die Zügel verlieren, Ihr werdet des Herzogs Verbot unter die Fü?e treten."
"Werde ich?" fragte Lukrezia, wie abwesend. Doch erschien ihr glaublich, da? sie es tun werde, denn sie kannte ihre Bande.
"Herrin", schluchzte der Venezianer, "wann immer ich erfahre, C?sar sei aus dem Kerker gebrochen, ich eile auf Windesflügeln nach Ferrara und umklammere Euch, da? Ihr ihm nicht in die Arme stürzet--doch k?me ich zu sp?t, so gedenket meines Rates, sobald Ihr Euch wieder besitzt und besinnet. Schützet und berget Euch vor der Strafe des Herzogs an seinem Herzen. Und habt Ihr menschliche Werkzeuge angewandt, um Euch mit dem Bruder zu verbinden, opfert sie unbedenklich und gebet sie der Rache des Herzogs preis.--Der Herzog liebt Euch..."
"Ich glaube, da? er mich liebt", sagte Lukrezia, sich wieder erhellend.
"Seid dessen gewi?", beteuerte der Venezianer. "Jüngst an der Tafel nannte er den Namen C?sars--nicht unabsichtlich--und sprach von einem dunkeln Gerüchte seiner Entweichung. Dabei beobachtete er Euch scharf... Ihr bliebet ruhig, nur Eure Hand zitterte, die den Becher hielt, daraus Ihr schlürftet. Er betrachtete Euch lange, doch wohlwollend und wie mit der gerechten Erw?gung, was Eurer Natur gem?? und welcher Widerstand Euch m?glich sei. Gewi?, er wird Euch halten und retten, wenn Euch nicht das Verh?ngnis gewaltig fortrei?t."
Die Herzogin, die wieder v?llig heiter war, sagte jetzt mit wunderbarem Leichtsinn: "Ich werde Eure Sorge beherzigen. Aber, Freund, nun genug von mir! Spendet mir lieber einen Rat für jene dort--", sie blickte nach der wandelnden Angela, "die mir in weit n?herer Gefahr zu schweben scheint. Seht hin!"
Ein schreiender Raubvogel erhob sich aus dem Walde und kreiste über den Wiesen. Zugleich rauschte es im Gebüsch, und ein hagerer, in Purpur gekleideter Mann trat auf Angela zu, wandte sich aber, Bembo neben der Herzogin entdeckend, grü?end an diese.
"Ihr findet uns, Eminenz", sagte die
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