Andrea Delfin | Page 6

Paul Heyse
schlafen lie?.
Sch?ne Nachbarin, sagte der Fremde, ich werde Euch mit keiner Art von Musik l?stig fallen. Ich bin ein kranker Mensch, dem es lieb ist, wenn man ihm selbst seinen Schlaf nicht st?rt.
So!--erwiderte das M?dchen mit gedehntem Ton. Krank seid Ihr? Aber seid Ihr auch reich?
Nein! Warum fragt Ihr?
Weil es ja schrecklich ist, krank und arm zugleich zu sein. Wer seid Ihr denn eigentlich?
Andrea Delfin ist mein Name. Ich bin Gerichtsschreiber gewesen in Brescia und suche hier einen stilleren Dienst bei einem Notar.
Die Antwort schien ihre Erwartungen von der neuen Bekanntschaft vollends herabzustimmen. Sie spielte nachdenklich mit einer goldenen Kette, die sie um den Hals trug.
Und wer seid Ihr, sch?ne Nachbarin? fragte Andrea mit einem z?rtlichen Ton, der dem eisernen Ausdruck seines Gesichtes v?llig widersprach. Euer holdes Bild so nahe zu haben, wird mir ein Trost sein in meinen Leiden.
Sie f��hlte sich offenbar befriedigt, da? er in den Ton einlenkte, den sie zu erwarten berechtigt war.
F��r Euch, sagte sie, bin ich die Prinzessin Smeraldina, die Euch erlaubt, von fern nach ihrer Gunst zu schmachten. Wenn Ihr mich diesen Turban aufsetzen seht, so sei es Euch ein Zeichen, da? ich geneigt bin, mit Euch zu plaudern. Denn ich langweile mich mehr, als bei meiner Jugend und meinen Reizen zu ertragen ist. Ihr m��?t wissen, fuhr sie fort, indem sie pl?tzlich aus der Rolle fiel, da? meine Herrschaft, die Gr?fin, durchaus nicht erlaubt, da? ich auch nur die kleinste Liebschaft habe, obwohl sie selbst ihre Liebhaber ?fter wechselt als ihre Hemden. Sie sagt, da? sie ihre Vertraute und Kammerjungfer stets aus dem Dienst gejagt habe, sobald sie zweien Herren habe dienen wollen, ihr und dem kleinen Gott mit den Fl��geln. Unter diesem Vorurteil mu? ich nun seufzen, und f?nd' ich nicht sonst hier meine Rechnung, und wohnte nicht zuweilen dr��ben in Eurem Zimmer ein artiger Fremder, der sich ein wenig in mich verliebt...
Wer ist jetzt gerade der Liebhaber deiner Herrin? unterbrach sie Andrea trocken. Empf?ngt sie den hohen Adel Venedigs? Gehen die fremden Gesandten bei ihr aus und ein?
Sie kommen meist in der Maske, erwiderte Smeraldina. Aber das wei? ich wohl, da? der junge Gritti ihr der Liebste ist, mehr als jemals ein anderer, solange ich in ihrem Dienste bin; ja mehr als der ?sterreichische Gesandte, der ihr so den Hof macht, da? es zum Lachen ist. Kennt Ihr meine Gr?fin auch? Sie ist sch?n.
Ich bin fremd hier, Kind. Ich kenne sie nicht.
Wi?t, sagte das M?dchen mit einem schlauen Gesicht, sie schminkt sich stark, obwohl sie noch nicht drei?ig ist. Wenn Ihr sie einmal sehen wollt, nichts leichter. Man legt ein Brett von Eurem Fenster in meines. Ihr steigt her��ber, und ich f��hre Euch an einen Ort, wo Ihr sie ganz verstohlen betrachten k?nnt. Was tut man nicht einem Nachbar zuliebe!--Aber jetzt gute Nacht. Ich werde gerufen.
Gute Nacht, Smeraldina!
Sie schlo? das Fenster. Arm--und krank, sagte sie f��r sich, indem sie den Vorhang dicht zusammenzog. Je nun, f��r die Langeweile immer noch gut genug.
Auch er hatte das Fenster geschlossen und durchma? nun sein Zimmer mit langsamen Schritten. Es ist gut, sagte er, es kommt mir gelegen. Im schlimmsten Falle kann ich auch davon Vorteil ziehen.
Seine Miene zeigte, da? er an alles eher dachte als an Liebesabenteuer.
Nun packte er seinen Mantelsack aus, der nur wenig W?sche und ein paar Gebetb��cher enthielt, und legte alles in einen Schrank an der Wand. Eines der B��cher fiel zu Boden, und die Steinplatte gab einen hohlen Ton. Sofort l?schte er das Licht, verriegelte die T��r und fing an, in der D?mmerung, die durch den fernen Schein von Smeraldinas L?mpchen entstand, den Boden genauer zu untersuchen. Nach einiger Arbeit gelang es ihm, die Steinplatte, die sauber, aber ohne M?rtel eingef��gt war, herauszuheben, und er entdeckte darunter ein ziemlich ger?umiges Loch, handhoch und einen Schuh breit im Geviert. Rasch warf er sein Oberkleid ab und band sich einen schweren G��rtel mit mehreren Taschen ab, den er um den Leib trug. Er hatte ihn schon in das Loch gelegt, als er pl?tzlich innehielt. Nein, sagte er, es k?nnte eine Falle sein. Es ist nicht das erste Mal, da? die Polizei in Mietwohnungen dergleichen Verstecke hat, um hernach bei Haussuchungen zu wissen, wo sie anzuklopfen hat. Dies ist zu lockend eingerichtet, um ihm trauen zu k?nnen.
Er senkte die Steinplatte wieder ein und suchte nach einem sicheren Beh?lter f��r seine Geheimnisse. Das Fenster nach der Sackgasse war mit einem Gitter versehen, dessen St?be einen Arm durchgreifen lie?en. Er ?ffnete es, fa?te hindurch und tastete an der Au?enwand herum. Er fand dicht unter dem Sims ein kleines Loch in der Mauer, das schon einmal Flederm?use bewohnt zu haben schienen. Von unten aus konnte es nicht bemerkt werden, und oben sprang das Gesims dar��ber vor. Ger?uschlos erweiterte er mit seinem Dolch die ?ffnung, indem er M?rtel und Steine herausbrach, und war bald so weit gediehen,
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