An heiligen Wassern, by Jakob
Christoph Heer
The Project Gutenberg eBook, An heiligen Wassern, by Jakob
Christoph Heer
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Title: An heiligen Wassern Roman aus dem schweizerischen
Hochgebirge
Author: Jakob Christoph Heer
Release Date: March 8, 2007 [eBook #20786]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK AN
HEILIGEN WASSERN***
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AN HEILIGEN WASSERN
Roman aus dem schweizerischen Hochgebirge
von
J. C. Heer
[Illustration: An heiligen Wassern]
51.-54. Auflage
[Illustration]
Stuttgart und Berlin 1910 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger
Alle Rechte vorbehalten
I.
Dörfer und Flecken, selbst eine kleine Stadt, deren Wahrzeichen zwei
altersgraue Ruinen auf kahlem Felsen sind, erheben sich mit südlichen
Silhouetten am Strom, der seine grauen Wellen aus dem Hochgebirge
wälzt.
Im Thalwind erzittern die schlanken Ruten der Silberweiden und die
Blätter der Pappeln, welche die Wasser säumen, über die Hütten neigen
sich der Kastanien- und der Feigenbaum, die Rebe klettert über das
Gestein, das Land ist licht und üppig, als wär's der Traum eines
italienischen Malers.
Von Stelle zu Stelle aber schaut durch grüne Waldeinschnitte ein fernes,
in sonniger Schönheit aufleuchtendes Schneehaupt in die
Stromlandschaft und erinnert den Wanderer, daß er just da im
Hochgebirge geht, wo es seine Zinken und Zacken am höchsten erhebt.
Emsige Wildwasser, die aus dunklen Schluchten hervorbrechen, reden
von stillen Seitenthälern, die hinter träumenden Lärchenwäldern
versteckt bis an die ewigen Gletscher reichen.
Fast unvermittelt berühren sich in dieser Gegend Nord und Süd.
Vom alten Flecken Hospel, auf den ein graues Schloß niederschaut,
führt eine schmale, doch fahrbare Straße in eines dieser Seitenthäler, in
das vier Stunden lange Glotterthal, aus dessen Hintergrund die Krone,
eines der erhabensten Bergbilder des Landes, mit dem Licht ihrer
Firnen bis zum Strome herniedergrüßt.
Ein heißer, brümelnder Junimittag. Auf dem Glotterweg, der sich zuerst
in manchen Kehren durch die Weinbergterrassen von Hospel windet,
fährt ein leichter Leiterwagen langsam bergan. Der Mann, der neben
ihm geht, ein halb sonntäglich gekleideter Vierziger, der für einen
Gebirgsbauern zu vornehm aussieht, trägt im glattrasierten Gesicht, das
ein dunkler Filz überschattet, und in der ganzen Erscheinung doch das
Wesen der Gebirgsbewohner dieser Gegend: hünenhafte Kraft, Ruhe
und eine gewisse Verschlagenheit.
»Guten Tag, Presi,« rufen die Frauen, die mit umgeschlagenen roten
Tüchern im Sonnenbrand der Reben stehen. »Wohl, wohl, das langt
wieder eine Weile!« Und sie deuten lachend auf das Fäßchen, das auf
einer Strohunterlage im Wägelchen liegt.
»Ja, es thut's!« erwiderte er den Gruß kurz, doch mit freundlichem
Wort. Er bläst die Rauchwolken einer Zigarre in die Luft und tätschelt
den Hals des Tieres: »Kleiner, es geht bergan, wehre dich, am
Schmelzwerk wartet die Galta auf dich, wehre dich.«
Als habe das struppige zähe Pferd Verständnis für seine Zurede, reißt
es mit jeder Liebkosung stärker an den Strängen, aber von Zeit zu Zeit
nötigt es der steile ausgewaschene Weg, mit dem Wägelchen stille zu
stehen und Atem zu schöpfen. Dann fliegt ein Zug der Ungeduld über
das Gesicht des Mannes, doch er faßt sich, legt einen Stein unter das
Rad und wartet ruhig, bis das Tier von selber den mühsamen Zug
wieder aufnimmt.
Langsam geht die Fahrt, doch wer ins Glotterthal fuhrwerkt, ist sich
dessen gewöhnt.
»Am Schmelzwerk wartet die Galta auf dich,« wiederholt der Führer.
Aber von Hospel bis zum Schmelzwerk sind es drei Stunden zu Fuß,
mit dem Fuhrwerk noch mehr, und dann ist es noch eine Stunde nach
dem Dorfe St. Peter, das weltverloren unter den Firnfeldern der Krone
liegt.
Der Weg windet sich, wenn er die Rebberge von Hospel verlassen hat,
in eine Felsenschlucht, über der alte Föhren ihre blaugrünen Schirme
halten, dann berührt er in dem sich weitenden Thal die Dörfer
Fegunden und Tremis, die mit sonngedunkelten Holzhäusern auf
grüner Wiesenhalde liegen, und wird eben.
Tief unter ihm gischtet der Fluß in der Felsenschlucht, die altersgrauen
Lärchen neigen sich darüber und schwanken im Luftzug, Bergnelken
hangen über die Ränder und verzieren den Abgrund mit blühendem
Rot.
Nur das Rauschen der Glotter und das gleichförmige Ticktack der
Merkhämmer einer großen Wasserleitung, die in entlegener Höhe
dahinführt, unterbrechen die Stille des Thales.
Die Leitung heißt das »helige Wasser«[1] und befruchtet die
sonnenglühenden Weingärten, die
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